rieb     Nach einem wütigen Sturm im Jahr 1740, der die holländischen Dämme von Westfriesland durchbrochen hatte, fand man auf den Wiesen eine sogenannte Sirene im Wasser. Man brachte sie nach Haarlem, kleidete sie und lehrte sie spinnen. Sie nahm gewöhnliche Speise zu sich und lebte einige Jahre. Sprechen lernte sie nicht, ihre Töne glichen dem Ächzen eines Sterbenden. Immer zeigte sie den stärksten Trieb zum Wasser. - Heinrich von Kleist, Wassermänner und Sirenen

Trieb (2)  Entweder diese beiden lächerlichen Vögel waren wirklich da, und - ganz gleich, woher sie kommen, wieviele es von ihnen gibt und was sie uns antun könnten -, das würde bedeuten daß Dinge möglich sind, die unseres Wissens nicht möglich sein dürften. Mit andren Worten: Es würde sich dann nicht um Dinge handeln, über die wir lediglich jetzt noch nicht klar sehen, die wir aber zweifellos bei fortschreitender Wissenschaft morgen oder übermorgen erforscht haben werden, sondern um Unbekanntes, .das überhaupt niemals zur Berechnung stand noch stehen wird. Und wie diese Vögel kann es jederzeit über unser Dasein hereinbrechen, uns aber bleibt nur übrig zuzugeben, daß unser Wissen gleich Null und völlig unnütz ist. Oder aber: Diese Vögel waren gar nicht da, alle Menschen aber bildeten sich ein, sie gesehen zu haben. In der Wirkung kommt es beinahe auf das gleiche hinaus; vielleicht ist das Zweite noch etwas schlimmer. Es würde nämlich bedeuten, daß wir uns weder auf uns selbst noch auf das, was uns umgibt, ich meine auf das, was wir mit der Kraft unseres Verstandes erschufen und zu beherrschen glauben, verlassen dürfen; denn wenn wir unsere Einbildungen für wirklich halten, entwerten wir alles, was uns bisher als Wirklichkeit galt. Um noch deutlicher zu sprechen: Wir hätten dann kaum mehr das Recht, uns Menschen zu nennen in dem Sinne, wie wir es bisher verstanden, sondern wären stattdessen Wesen, die sich heute in dies und morgen in das verwandeln könnten, je nachdem es ihrem Einbildungstrieb beliebt. Wesen ist sogar schon zuviel gesagt; wir wären nur wechselnde Erscheinungsformen dieses grenzenlosen Triebes. - Hans Erich Nossack, Nekyia. Bericht eines Überlebenden. Frankfurt am Main 1961 (BS 72, zuerst 1947)

 Bedürfnisse Körper Naturkräfte Trieb

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