rickster  Es ist aufschlußreich, daß der bei den nordamerikanischen Indianerstämmen zu findende extreme Typ des Dualismus dem Coyote, dem »Trickster« (Schwindler), solche Bedeutung zuerkennt. Seine Funktion ist jedoch bei weitem komplexer, als es die erwähnten Mythen erraten lassen. Seine Persönlichkeit ist ambivalent und seine Rolle zwiespältig, in der Mehrzahl der mythologischen Traditionen ist er für das Vorhandensein des Todes und den jetzigen Zustand der Welt verantwortlich. Er ist aber auch ein Verwandler und Kulturheros, denn man sagt von ihm, er habe das Feuer und andere nützliche Dinge gestohlen und die Ungeheuer, die die Erde verwüsteten, vernichtet.

Aber auch als Kulturheros bewahrt er die spezifischen Züge eines Betrügers. Wenn er das Feuer oder ein anderes dem Menschen unbedingt notwendiges Gut stiehlt, das ein göttliches Wesen eifersüchtig hütet (Sonne, Wasser, Wild, Fische), so gelingt ihm das nicht auf heroische Weise, sondern mittels Schlauheit oder Betrug. Der Erfolg seiner Bemühungen wird oft durch seine Ungeschicklichkeit in Frage gestellt (die Erde wird etwa durch Feuer oder Flut vernichtet).

Nur mit List oder Täuschung gelingt es ihm, die Menschen von den kannibalischen Ungeheuern zu befreien.

Ein weiterer charakteristischer Zug des Tricksters ist seine ambivalente Haltung gegenüber dem Heiligen. Er karikiert und parodiert schamanistische Erfahrungen oder priesterliche Rituale. Die Schutzgeister des Schamanen werden von ihm auf groteske Weise mit seinen Exkrementen identifiziert, und er parodiert den ekstatischen Flug des Schamanen, obwohl er selbst am Ende immer herunterfällt. Es ist klar, daß dieses paradoxe Benehmen eine zweifache Bedeutung hat: Der Trickster macht sich über das Heilige, die Priester und die Schamanen lustig, die Lächerlichkeit richtet sich aber auch gegen ihn selbst. Wenn er nicht der hartnäckige und listenreiche Feind des Schöpfergottes ist (wie in den kalifornischen Mythen), dann erweist er sich als eine schwer zu definierende Persönlichkeit, intelligent und dumm zugleich, den Göttern nahe durch seine »Uranfänglichkeit« und seine Kräfte, aber den Menschen noch näher durch seinen gefräßigen Hunger, seine außergewöhnliche Sexualität und seine Amoralität.

Rickett sieht im Trickster das Bild des Menschen und seiner Bemühungen, das zu werden, was er werden muß — der Herr der Welt. Wir können diese Definition unter der Bedingung annehmen, daß das Bild des Menschen in einem imaginären, von Heiligkeit geprägten Universum ruht. Es ist kein Bild des Menschen in irgendeinem humanistischen, rationalen oder voluntaristischen Sinn. Der Trickster spiegelt wider, was man eine Mythologie der conditio humana nennen könnte. Er stellt sich Gottes Entschluß entgegen, den Menschen unsterblich zu machen und ihm eine nahezu paradiesische Existenz in einer reinen und reichen Welt frei von allen Widerständen zu sichern. Er macht sich über die »Religion« lustig, genauer gesagt, über die Techniken und Ansprüche der religiösen Elite, der Priester und Schamanen, obwohl die Mythen immer betonen, daß Spott nicht hinreichend ist, um die Kräfte solcher religiöser Eliten zunichte zu machen.

Gewisse charakteristische Züge der menschlichen Verhältnisse von heute sind die Folge der Einmischung des Tricksters in den Akt der Schöpfung. Er triumphiert zum Beispiel über Monstren, ohne sich als Heros zu gebärden: Viele Dinge gelingen, aber ebenso viele mißlingen ihm; er organisiert und vollendet die Welt, aber mit so vielen Irrtümern und Ungeschicklichkeiten, daß schließlich nichts vollkommen zustande kommt. In dieser Hinsicht kann man in der Figur des Tricksters eine Projektion des Menschen sehen, der eine neue Art der Religion sucht. Seine Entscheidungen und Abenteuer stellen eine Art von radikal säkularisierter Mythologie dar, die die Gesten der göttlichen Wesen parodiert, sich aber zugleich über die eigene Revolte gegen die Götter lustig macht. -  Mircea Eliade, Die Sehnsucht nach dem Ursprung. Frankfurt am Main 1989 (BS 408, zuerst 1969)

Trickster (chinesischer)  Ursprünglich ist der Affe ein Felsen. Nach Millionen Jahren bricht dieser Felsen auseinander, und der Affe kommt zum Vorschein. Durch seine überragende Klugheit wird er bald König der Affen und erfreut sich mehrere Jahrhunderte lang eines ausschweifenden, sorglosen Lebens. Eines Tages jedoch hört er von den Unsterblichen, den Weisen, die das ewige Leben erlangt haben, und beschließt, es auch für seine Person zu gewinnen. Nach langen Reisen trifft er auf einen recht zweifelhaften taoistischen Eremiten und geht bei ihm in die Lehre. In kürzester Zeit erwirbt er sich auf diese Weise erstaunliche übernatürliche Kräfte. Auf der Suche nach Zauberwaffen steigt er hinab ins Reich des Drachenkönigs und schüchtert den schuppigen Aristokraten so ein, daß es ihm gelingt, in den Besitz einer Keule zu gelangen, die je nach dem Willen ihres Besitzers riesengroß wie ein Baum oder klein wie eine Nadel werden kann.

Der Drache erhebt bei den offiziellen Göttern des Taoismus Klage gegen den Affenkönig. Nachdem diese den Affen eine Weile beobachtet haben, kommen sie zum Beschluß, daß man mit dem arroganten Kerl am besten fertig werden dürfte, wenn man ihm eine Stelle im Paradies anbietet.

Der Affe ist begeistert: endlich hat man seinen wahren Wert erkannt! Aber als er merkt, daß man ihm lediglich die Stelle eines Stallknechts im heiligen Stall einräumt, kehrt er zähneknirschend auf seinen Blumen- und Obstberg zu seinen treuen Anhängern zurück. Auf Anstiften zweier schmeichlerischer Dämonen erklärt er sich hier zum „Himmelsgleichen Großen Weisen".

Am nächsten Morgen schickt der Jade-Kaiser einen Polizeidämon, der den Stallknecht wegen Vernachlässigung seiner Pflicht verhaften soll, aber der Affenkönig schlägt ihn halbtot und jagt ihn in den Himmel zurück, wo er darüber berichtet, welchen Titel sich der Stallbursche neuerdings zugelegt hat. Größere Geister werden ausgesandt, um mit ihm fertig zu werden, aber mit seiner Drachenkeule besiegt er sie alle. Schließlich schlägt der Geist der Venus vor, den Affen wieder in den Himmel einzuladen: „Wir könnten ihn ja mit diesem Titel anreden", sagt der Planet, „ohne daß er bestimmte Pflichten hätte oder einen Lohn erhielte ... und das Universum hätte eine Möglichkeit, wieder zur Ruhe zu kommen."

So erhält der Affenkönig ein Amtszimmer in der Nähe des Pfirsichgartens und eine Zuteilung von zwei Krügen kaiserlichen Weins sowie zehn blühende Zweige mit goldenen Blättern. Er wird ermahnt, sich völlig ruhig zu verhalten und mit seinen Possen aufzuhören.

Da der Affe aber nichts zu tun hat, treibt er sich im Himmel herum und zecht mit den Planeten, mit den Häusern des Mondes und den Geistern der Stunden und Tage. Das stört den Kaiser, und dieser beschließt, den Schalk nützlich zu beschäftigen, indem er ihn beauftragt, die Pfirsichgärten zu betreuen. Der Affe macht sich voller Begeisterung daran, die Früchte, die langes Leben verleihen, zu pflegen, aber schon bald kann er der Verlockung nicht widerstehen, sich mit dem köstlich aussehenden Obst den Bauch vollzustopfen.

Nun möchte die Königin des Himmels ein Pfirsichbankett feiern und ist außer sich darüber, daß die besten Früchte bereits verzehrt sind. Der Affe fühlt sich seinerseits beleidigt, weil man ihn nicht zum Bankett eingeladen hat. Er verkleidet sich als rotbeiniger Unsterblicher und dringt in den Palast ein. Da er aber noch keine Gäste vorfindet, macht er sich über den Wein her. Dann stiehlt er sich wieder hinaus und torkelt völlig betrunken davon. Schließlich gelangt er in den Palast von Lao Tsu. Dort stiehlt er einen Tiegel mit einem alchemistischen Elixier und verzehrt den Inhalt, „ganz so als ob es sich um ein Gericht gebackener Bohnen gehandelt hätte". Als er endlich wieder nüchtern wird und merkt, was er für ein Durcheinander angerichtet hat, schleicht er sich heimlich aus dem Himmel und flieht auf seinen Berg zurück, um sich auf den nun unausbleiblichen Krieg vorzubereiten.

Der Jade-Kaiser gerät außer sich vor Zorn, als die Heldentaten des Affenkönigs entdeckt werden. „Sagt dem himmlischen Detektiv, er solle unverzüglich seine Spur verfolgen!"

Ein Riesenheer von Geistern steigt hinab und belagert den Berg. Der Affe aber macht sich nichts daraus:

„Hast du heut Wein, so trink ihn heut;
Vergiß, was draußen vor der Tür, ob's gut sei oder schlecht.
Genieß den Tag mit Poesie und Wein;
ruhmreiche Taten mögen warten, das hat Zeit."

Der Krieg beginnt, und der Affe besiegt einen himmlischen Kämpen nach dem andern. Inzwischen ist droben der Bodhisattva Kuan-Yin aus dem buddhistischen Himmel angekommen, um am Pfirsichbankett teilzunehmen, ist aber „erstaunt, die Hallen völlig leer und in größtem Durcheinander vorzufinden. Die Diwane waren zerbrochen oder beiseitegeschoben ... und die Unsterblichen standen in laut protestierenden und disputierenden Gruppen herum".

„Es war jedes Jahr ein so schönes Fest", sagt der Jade-Kaiser bekümmert zu Kuan-Yin. „Es ist eine so schreckliche Enttäuschung, daß dieser gräßliche Affe diesmal alles verdorben hat."

Auf der Erde drunten besiegt der Affenkönig einen Helden nach dem andern, bis Lao Tsu schließlich selbst eingreift und es fertig bringt, den Affen mit einer diamantenen Schlinge einzufangen. Man versucht ihn hinzurichten, aber es stellt sich heraus, daß er „unverwundbar" ist und nichts durch sein Fell hindurchdringt. „Das ist auch nicht weiter verwunderlich", sagt Lao Tsu. „Schließlich hat er sämtliche Unsterblichkeit verleihenden Pfirsiche verzehrt, den himmlischen Wein getrunken und das Elixier des langen Lebens gestohlen - fünf Schüsseln voll, davon einiges noch roh und einiges gekocht." - Peter Lamborn Wilson, Engel. Stuttgart u.a. 1981

Trickster (afrikanischer)  Ein Mann war, es ist lange her, Mba genannt, er webte die Erde und alle Dinge. Danach war der Himmel unten und die Erde in der Höhe. Aber Mba, der nichts zu essen fand, sprach: »Jetzt muß der Himmel zur Höhe gehen und die Erde in die Tiefe.«

Eine Frau hielt alles Wasser in ihrem Topf. Sie kochte viele Speisen und rief die Menschen, davon zu essen. Alle starben. Da kam Mba und sagte: »Ha, warum hat diese Frau das Wasser verborgen?« Er tötete sie mit der Lanze, und das Wasser begann so stark zu fließen, daß Mba fortgerissen wurde, bis er an einem großen Baum sich verfesten konnte. Jetzt, wenn die Menschen essen, sagen sie: »Trinken ist gut« und wenn wir trinken, so geschieht es dank Mba, der die Frau getötet hat, die das Wasser verbarg.   - Afrikanische Märchen und Legenden. Hg. Carl Einstein. Berlin 1980 (zuerst 1925)

Mythos Fabelmenschen
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