reibsand Susannah Jackson, die schottische Circe mit Haaren, schwärzer als die Nacht, Blicken, aus denen mazedonische Lanzen schossen, und leicht ätzenden Redensarten, schimmerte lässig in rotem Samt.
Gehen Sie ihr ja aus dem Weg, junger Fremder! Seien Sie versichert, daß sie wie Treibsand ist, in dem Ihr Nervensystem sofort versinkt. Sie destilliert das Begehren. Eine lange, krankhafte, zermürbende, im Wahnsinn endende Krise wäre Ihr Erbteil. Sie zählt verschiedene Trauerfälle zu ihrer Erinnerung. Die Art ihrer Schönheit, derer sie sich sicher ist, erhitzt die einfachen Sterblichen bis zur Raserei! Ihr Körper gleicht einer dunklen, wenngleich jungfräulichen Lilie! Er rechtfertigt ihren Namen, der im Althebräischen, wie ich glaube, diese Blume bezeichnet.
Für wie raffiniert Sie sich auch halten mögen (der Sie in einem womöglich
noch zarten Alter sind, junger Fremder!) — wenn Ihr schlechter Stern Sie Susannah
Jacksons Weg kreuzen läßt, dann brauchen wir uns nur einen sehr jungen Mann
vorzustellen, der sich zwanzig Jahre lang ausschließlich von Milch und Eiern
ernährt hat und plötzlich, ohne Übergang, einer — ununterbrochenen — aufreizenden
Diät aus uberscharfen Gewürzen und Spezereien unterzogen wird, deren brennender,
stechender Geschmack seine Geschmacksnerven verkrampft, ihn erschöpft und schließlich
närrisch werden läßt, und schon haben wir Ihr genaues Portrait der folgenden
zwei Wochen. Bisweilen fand diese wissende Zauberin Gefallen daran, alten, blasierten
Lords Tränen der Verzweiflung zu entlocken, denn nur die Lust vermag sie zu
verführen. Ihr Plan ist es, wie man einigen Sätzen entnehmen kann, sich in einem
millionenteuren Cottage am Ufer der Clyde mit einem schönen Knaben zu begraben
und ihn zu ihrer Zerstreuung nach ihrem Belieben hingebungsvoll zu töten. - Villiers
de L'Isle-Adam, Der Tischgast der letzten Feste. In: V. I.-A., Der Tischgast der
letzten Feste.
Stuttgart 1983.
Die Bibliothek von Babel Bd. 27, Hg. Jorge Luis Borges
Treibsand (2) Er schoß: einmal, zweimal, dreimal.
Das Ungeheuer der Luft wendete, schwebte weiter und fiel plötzlich entsetzlich lahm dem Wasser entgegen.
»Getroffen!« brüllte Weybridge. »Getroffen!«
Er stürzte vorwärts.
Zwanzig Schritte vor ihm zuckte das Tier auf dem Wasser wie ein großer Ballon, aus dem die Luft entweicht.
Ungeheure Freude durchströmte den Körper des Mannes.
Dann ergriff eine Hand seinen linken Knöchel und eine zweite seinen rechten; er spürte zwei lange Erschütterungen, als zöge ihn eine tödliche Kraft in die Tiefe. Das Wasser des Sumpfes schien plötzlich zu steigen, der Hügel sprang zum Himmel empor. Weybridge war unvermittelt klein geworden. Sehr klein: seine Knie befanden sich auf gleicher Höhe mit der Straße.
Er war in die Gewalt des Treibsandes geraten und begriff, daß sein kurzer Sieg über das Ungeheuer seinem menschlichen Dasein ein Ende setzte.
Als der Sand seine Schultern erreichte, sah und hörte er nichts mehr. Wenn
man an das Versinken im Treibsand denkt, hat man im
allgemeinen eine unsterbliche Schilderung der Weltliteratur vor Augen; zum Glück
entspricht diese wunderbare Prosa nicht der Wahrheit. Die Todesqual des Versinkenden
dauert nicht bis zu dem Augenblick, da die emporsteigende Finsternis des Sandes
seine Augen erfüllt. -
Jean Ray, Das Storchenhaus. Frankfurt am Main 1986
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