raumschwärme
Nehmen wir beispielsweise das Schlafhaus, in dem ich die Nacht verbracht habe;
die ruhige Lage und der gute Duft des Grases kommen dem Schlaf entgegen; vielleicht
habe ich tief geschlafen; mit Gewißheit habe ich nicht geträumt; denn, wo man
schläft, müssen sich nicht unbedingt Träume niederlassen; sie können ohne weiteres
zu einem anderen Schlafhaus geeilt sein; und da sie es leer fanden, werden sie
die Nacht dort verbracht haben, wie unheimliche Nachtvögel an den Deckenbalken
hängend und leise piepsend; und außerdem sind nicht alle Träume von derselben
Feder; es gibt wirklichkeitsnahe, prophetische oder rätselhafte Träume, und
sie bilden jeweils kleine Schwärme, und heute Nacht haben sie sich vielleicht
in einem anderen Schlafhaus niedergelassen; und somit war mein Schlaf in verschiedene
Schlafhäuser zerlegt; in diesem hier habe ich zwar geschlafen, aber geträumt
habe ich anderswo, und meine Träume waren verschieden und nicht miteinander
vereinbar; da ich aber anderswo war, sindjene Träume vergeudet worden, sie sind
zwar am Ort des Schlafes geschehen, aber der Ort des Schlafes war verlassen.
Wenn ich erfahren könnte, wo sich die sinnreichen Träume zusammenducken werden,
dann könnte ich zu jenem Schlafhaus gehen und hoffen, eine nicht träge und nicht
sinnentblößte Nacht zu verbringen. In Wirklichkeit weiß ich jedoch, in welchem
Schlafhaus jene Träume rasten werden; nur weiß ich nicht, wie ich jenen Ort
erreichen soll, wenn nicht der Ort selbst beschließt,
mich zu erreichen. - Giorgio Manganelli, Kometinnen
und andere Abschweifungen. Berlin 1997
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