raumgesicht
Von den Traumgesichten sind die einen theorematisch, die anderen
allegorisch. Theorematisch heißen diejenigen, welche ihrem Erscheinungsbild
vollkommen entsprechen. So träumte z.B. jemand, der auf See
war, er erleide Schiffbruch, und tatsächlich geriet er in diese schlimme Lage.
Denn als er aus dem Schlaf erwachte,
sank das Schiff und ging unter, er selbst aber wurde
nur mit Mühe und Not mit wenigen Begleitern gerettet. Ein anderer wiederum träumte,
er sei von einem Mann, mit dem er für den folgenden Tag eine Jagdpartie verabredet
hatte, verwundet worden. Tatsächlich wurde er bei diesem Zusammentreffen von
jenem an der Schulter verletzt, genau dort, wo es ihm auch im Traum erschienen
war. Einem dritten träumte, er nehme von einem Freund Geld entgegen, und am
Morgen darauf übernahm er von jenem einen Betrag von zehn Minen zu treuen Händen.
Noch viele ähnliche Beispiele ließen sich anführen.
Allegorisch sind diejenigen Traumgesichte, die ein
Ding durch ein anderes anzeigen, wobei die Seele auf
natürliche Weise in ihnen mit verhüllten Anspielungen spricht. - (
art
)
Traumgesicht (2)
- Aubrey Beardsley (?), nach: Meisterwerke der phantastischen
Weltliteratur, Bd. 9, Hg. J. L. Borges, o.O, o.J.
Traumgesichter (3)
Traumgesichter (4) » Übrigens, ist es schön hier?«
»Ich glaube, es ist der schönste Ort, den ich je gesehen habe.«
»Das sagen alle Leute. Ich kann es fühlen, natürlich, aber es ist doch nicht dasselbe.«
»So haben Sie nie ~« begann ich, verstummte aber verlegen.
»Solange ich mich erinnern kann, nicht. Es geschah, als ich erst ein paar Monate alt war, hat man mir erzählt. Und doch muß ich irgendwelche Erinnerungen haben, wie könnte ich sonst von Farben träumen? Ich sehe in meinen Traumen Licht und Farben, aber ich sehe sie nie. Ich höre sie nur, genau so, wie wenn ich wach bin.«
»Es ist schwer, Gesichter im Traum zu sehen. Manche Menschen können es, aber den meisten von uns ist es nicht gegeben«, fuhr ich fort und blickte zu dem Fenster auf, wo das Kind ganz unverhohlen stand.
Sie sagte: »Ich habe das auch gehört. Und man hat mir erzählt, daß man nie das Gesicht eines Toten im Traum sieht. Ist das wahr?«
»Ich glaube ja, wenn ich mir es jetzt so recht überlege.«
»Aber wie ist es bei Ihnen - bei Ihnen selbst?« Die blinden Augen wandten sich zu mir.
»Ich habe niemals im Traum die Gesichter meiner Toten gesehen«, antwortete ich.
»Dann muß es ebenso arg sein wie blind zu sein.« - Rudyard Kipling, "Sie",
nach (
ki
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