Traumbeute    Störungen des Sehvermögens überfielen nun die Traumleute. Zuerst war es ein Regenbogenschein, der die Gegenstände umgab. Später verschoben sich für ihre Augen alle natürlichen Proportionen, kleine Häuschen hielten sie für vielstöckige Türme, die falschen Perspektiven täuschten sie und verursachten ihnen Bangigkeit, sie glaubten sich eingeschlossen, wo sie es nicht waren. Es kam ihnen vor, als hingen die Gebäude gegen die Straßen hinüber oder balancierten auf zu schmalen Fundamenten. Ihnen entgegenkommende Menschen verdoppelten oder vervielfachten sich, wurden zu Ansammlungen! Sie hoben die Beine, um über eingebildete Hindernisse hinweg zu schreiten, tasteten sich auf allen vieren den Roden entlang, stets vor sich einen Abgrund wähnend.

Viele Menschen verfielen dem Massenselbstmord. Verfolgt und abgehetzt bis zum äußersten, waren sie die widerstandslose Beute von Träumen geworden, in welchen ihnen der Befehl zur eigenen Vernichtung erteilt wurde. Was noch übrig blieb, war dermaßen verwirrt im Kopf, daß sie wahrscheinlich die Bitterkeit ihrer letzten Stunden nicht gespürt haben.    - Alfred Kubin, Die Andere Seite. München 1975 (zuerst 1909)

Traum Beuute


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