Traum, organisierter  Ein schlimmer Wirbelwind schleuderte einen Dachziegel auf den fünfzehnjährigen Eric und zerschmetterte seinen Schädel. Zwischen den Habseligkeiten des Jungen fand sein Vater, David van Veen, eine Reihe von Gedichten und den Entwurf eines Essays mit dem Titel «Villa Venus: ein organisierter Traum». Um es grob zu sagen - der Junge hatte versucht, seine ersten sexuellen Qualen zu lindern, indem er sich ein Projekt vorstellte und ausmalte (was auf die Lektüre von zu vielen erotischen Werken zurückzuführen war, die in einem möblierten Haus aufgefunden wurden, welches sein Großvater in der Nähe von Vence von dem Grafen Tolstoj, einem Russen oder Polen, gekauft hatte): nämlich eine Kette von Luxuspuffs, die über «beide Hemisphären unseres kallipygischen Globus» zu errichten seine Erbschaft ihm gestatten würde. Der kleine Kerl sah die Sache als eine Art mondänen Club mit Filialen, oder, in seiner dichterischen Benennung, mit «Floramors », in der Nachbarschaft von Städten und Badeorten. Die Mitgliedschaft sollte auf Adlige beschränkt bleiben, «gutaussehend und gesund», Altersgrenze fünfzig (was man als sehr großzügig seitens des armen Kindes loben muß), die einen Jahresbeitrag von 3650 Guineen bezahlen mußten, wobei die Kosten für Blumen, Schmuck und andere galante Geschenke nicht einbezogen waren. Im Hause wohnende Ärztinnen, hübsch und jung (Typ amerikanische Sekretärin oder Zahnarzthilfe), würden zur Stelle sein, um den intimen physischen Zustand sowohl «der Liebkosenden und der Liebkosten» (eine weitere treffende Formel) als auch ihrer selbst zu überprüfen, falls sich «das Bedürfnis erhob». Eine Klausel in den Clubregeln schien anzudeuten, daß Eric, der an sich wahnsinnig heterosexuell war, einige zärtliche Ersatz-Fummeleien mit Schulkameraden in Note (eine notorische Vorschule in dieser Hinsicht) genossen hatte: wenigstens zwei aus der Höchstzahl von fünfzig Bewohnerinnen der Haupt-Floramors durften hübsche Knaben sein, Stirnbänder und kurze Kittel tragend, und nicht älter als vierzehn, wenn blond, und zwölf, wenn dunkelhaarig. Um jedoch einen regelrechten Zustrom «eingefleischter Päderasten» auszuschließen, konnte die Knabenliebe von dem erschöpften Gast nur beiläufig zwischen zwei Folgen von je drei im Verlauf derselben Woche besessenen Mädchen eingeschoben werden - eine etwas komische, aber nicht ungewitzte Festlegung.

Die Kandidaten für jedes Floramor mußten von einem Komitee aus Clubmitgliedern ausgewählt werden, die die jährliche Anhäufung von Eindrücken und Wünschen, wie sie von den Gästen in einem besonderen Muschel-Rosa-Buch festgehalten worden waren, in Betracht zogen. «Schönheit und Zärtlichkeit, Anmut und Gelehrigkeit» bildeten die Haupteigenschaften, die man von den Mädchen verlangte, deren Alter zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig im Falle «schlanker nordischer Puppen» lag, und zwischen zehn und zwanzig bei «rundlichen südländischen Schönen». Sie würden in «Boudoirs und Wintergärten» herumhüpfen und sich rekeln, stets nackt und zur Liebe bereit; nicht jedoch ihre Dienerinnen, attraktiv gekleidete Zofen von mehr oder weniger exotischer Herkunft, «unerreichbar für die Neigung der Mitglieder außer durch Sonder-Erlaubnis der Verwaltung». Meine Lieblingsklausel (denn ich besitze eine Photokopie von dem Schönschriftstück des armen Jungen) ist, daß jedes Mädchen während ihrer Periode per Akklamation Chefin ihres Floramors sein konnte. (Das klappte natürlich nicht, und das Komitee schloß einen Kompromiß, indem es einen gutaussehenden weiblichen Homosexuellen an die Spitze des Stabes stellte und noch einen Rausschmeißer hinzufügte, an den Eric nicht gedacht hatte.)

Exzentrizität ist des größten Kummers größtes Heilmittel. Der Großvater machte sich sofort daran, Erics Phantasiegebilde in Ziegel und Stein, Beton und Marmor, Fleisch und Freude umzusetzen. Er beschloß, bei der ersten Huri, die er für sein letztes Haus anheuerte, die erste Stichprobe zu machen und bis dahin in arbeitsamer Abstinenz zu leben.   - (ada)

 

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