Traum, hieroglyphischer  Die Träume des Menschen sind von doppeltem Rang. Die einen sind erfüllt von seinem gewöhnlichen Leben, seinen Besorgnissen, seinen Wünschen und seinen Lastern und verbinden sich auf mehr oder weniger seltsame Weise mit den im Lauf des Tages wahrgenommenen Gegenständen, die sich auf der breiten Leinwand des Gedächtnisses zudringlich festgesetzt haben. Dies ist der natürliche Traum. Er ist der Mensch selber. Aber dann die andere Art des Traums! Der sinnlose, unvorhergesehene Traum, ohne Beziehung und Verbindung zum Charakter, zum Leben und den Leidenschaften des Schläfers! Dieser Traum, den ich hieroglyphisch nennen will, stellt augenscheinlich die übernatürliche Seite des Lebens dar. Und gerade weil er widersinnig ist, haben die Alten geglaubt, er sei göttlichen Ursprungs. Da der Traum aus natürlichen Gründen unerklärlich ist, haben die Alten ihm einen außerhalb des Menschen liegenden Grund beigemessen. Auch heute noch gibt es, ohne von den Traumdeutern zu sprechen, eine philosophische Schule, die in dieser Art Traume ba]d einen Vorwurf und bald einen Ratschlag sieht. Mit einem Wort, ein symbolisches und moralisches Bild, das irn Geist des schlafenden Menschen entstanden ist. Dies ist ein Wörterbuch, das man studieren sollte, eine Sprache, zu der die Weisen den Schlüssel erlangen könnten.  - Charles Baudelaire, Die künstlichen Paradiese. Zürich 2000 (zuerst ca. 1860)

Traum Hieroglyphen


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