Trauerfeier  Etwas höchst wichtiges ereignete sich: der tod Marschall Duvals, des helden aus dem Gewaltigen Krieg. Sein begräbnis war einfach erhaben. Selten hatte man ein ähnliches schauspiel gesehen. Millionen nahmen an der trauerfeier teil. Alle truppen marschierten mit ihren fahnen, ihren trophäen und ihren grossmüttern auf. Der sarg des Marschalls ruhte auf der mündung einer kanone. Bei jedem kanonenschuss sprang der sarg zum himmel und fiel mit einer zauberhaften präzision wieder auf seinen platz zurück, wie die zelluloid-bälle auf den springbrunnen. Hinter dem sarg des grossen heerführers marschierte traurig sein nacktes pferd, das pferd, das der held in seinen grossen schlachten bestiegen hatte; dahinter folgte sein lieblingshund, den tod bejaulend, sodann kamen der trauerkater und der papagei mit augen voller tränen, im gleichen feierlichen schritt mit seinem ach so geliebten kanarienvogel. Danach folgten seine stiefel, die letzten drei paar stiefel, die der Marschall über seine mutigen füsse gezogen hatte, danach marschierte sein stab in handhöhe, sein hut in kopfhöhe; und die letzte zigarre, am tage vor seinem tode zur hälfte aufgeraucht, marschierte bekümmert in mundhöhe. Dann kam unter einem gewaltigen baldachin, den vier könige trugen, in einem prächtigen kelch mit kostbaren steinen, die prostata des berühmten heerführers.  - Hans Arp, Vicente Huidobro: Der gefesselte Storch. Elsässische patriotische Novelle. Nach (huarp)

Trauerfeier (2)  Im Hauptsaal sang jetzt ein Männerquartett, engagiert aus einem Tingeltangel. Es sang schwülstig gesetzte Mutterlieder; es sang Sonny Boy. Die älteren Frauen weinten ohne Ausnahme. Kellner brachten auch ihnen jetzt Gläser mit Punsch, und so saßen sie da, die Gläser in den fetten, beringten Händen, und weinten.

Dann spielte das Orchester wieder. Die Frau in Rot kam in den Saal getaumelt. »Los, Joe«, brüllte sie, »mach den Spieltisch auf. Schaff den verdammten Kasten mit dem Kerl hier raus und mach den Spieltisch auf.« Ein Mann versuchte sie festzuhalten; sie fuhr mit einem Schwall unflätiger Worte auf ihn los, taumelte gegen den verhüllten Würfeltisch und warf einen Kranz zu Boden. Der Inhaber stürzte auf sie zu, gefolgt von dem Rausschmeißer. Der Inhaber packte die Frau, als sie einen zweiten Kranz an sich riß. Der Mann, der sie festzuhalten versucht hatte, trat dazwischen, und die Frau brach in schrille Verwünschungen aus und schlug auf beide mit dem Kranz ein. Der Rausschmeißer packte den Arm des Mannes; der wirbelte herum und schlug nach dem Rausschmeißer, worauf dieser ihn mit einem Gegenschlag durch den halben Saal beförderte. Drei weitere Männer traten ein. Der vierte raffte sich vom Boden auf, und alle vier gingen auf den Rausschmeißer los.

Er fällte den ersten und warf sich herum und sprang mit unglaublicher Schnelligkeit in den Hauptsaal. Das Orchester spielte. Im nächsten Augenblick ging die Musik in einem Pandä-monium von Stühlen und Schreien unter. Der Rausschmeißer warf sich wieder herum und stellte sich dem Ansturm der vier Männer. Es entstand ein wildes Gemenge; ein zweiter Mann flog heraus und schlitterte auf dem Rücken über den Boden; der Rausschmeißer kam frei. Dann warf er sich wieder herum und stürzte sich auf sie, und der balgende Knäuel wälzte sich auf die Bahre zu und krachte mit voller Wucht dagegen. Das Orchester war verstummt, und die Musiker kletterten mit ihren Instrumenten auf die Stühle. Die Blumenspenden flogen; der Sarg neigte sich. »Festhalten!« schrie eine Stimme. Sie sprangen vor, doch der Sarg krachte schwer auf den Boden und ging auf. Der Leichnam rutschte langsam und gemächlich heraus und kam mit dem Gesicht mitten in einem Kranz zur Ruhe.

»Spielt was!« schrie der Inhaber und furchtelte mit den Armen. »Spielt! Spielt!«

Als sie den Leichnam aufhoben, kam der Kranz mit; er hatte sich mit einem verborgenen Drahtende in der Backe des Toten verhakt. Dieser hatte eine Schirmmütze aufgehabt, die heruntergerutscht war und ein kleines blaues Loch in der Mitte der Stirn freigab. Es war säuberlich mit Wachs verstopft worden und übermalt, aber das Wachs hatte sich durch die Erschütterung gelöst und irgendwo verloren. Sie konnten es nicht wiederfinden, und so lösten sie einfach den Druckknopf im Schirm und zogen ihm die Mütze bis auf die Augen.   - William Faulkner, Die Freistatt. Zürich 1981 (zuerst 1931)

 

Begräbnis

 

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