räumen
Ich träumte jede Nacht, schrieb meine Träume auf, hielt
einige für Offenbarungen, deren metaphysische Tragweite
ich entdecken müsse, und stückte sie in Fortsetzungen aneinander, um ihren Sinn
besser zu entziffern, so daß ich gewissermaßen kleine Romane daraus gewann.
Fast jede Nacht weckte mich mein eigenes Geheul. Bald träumte ich, Sprache und
Atem seien untrennbar verbunden, meine Untersuchungen über die Wörter hätten
mich die Sprache verlieren lassen, und um zu verhindern,
daß ich erstickte — das heißt, um mich zu heilen —, hätte man mir ein starkes
Gift zu trinken gegeben, das mich in fürchterlichen Leiden zum Sterben brächte.
- Michel Leiris, Mannesalter, nach (
leiris
)
Träumen (2) Immer wieder wird betont, daß zum Beispiel die Heroen der Urzeit, die als Traumzeit gilt, träumend über das Land gegangen seien und die ersten Wesen träumend »die Geschöpfe der Welt« selbst gemacht hätten. Träumend heilen Medizinmänner Kranke, und träumend besuchen sie die Unterwelt oder fliegen in andere Länder. Die Aborigines wollen mit dem Wort Traum nicht irgendeine am Rande des Lebens sich abspielende Erscheinung bezeichnen. Sie scheinen mit dem Ausdruck »Dream« eine Vielfalt von Erscheinungen und Zuständen zu umfassen. Eine Struktur vielleicht, die ihnen eigen war bzw. ist, für die Weißen unerreichbar. Oder vielleicht einen Zustand, den sie selbst nicht immer erreichen konnten und können, der aber der schöpferische Zustand an sich sein kann. Ein Zustand, den man nicht begreift, wenn man die Aussagen in unsere Sprache zu übersetzen versucht, also von ihrer Bewußtseinsebene in unsere transponiert.
Offensichtlich hängt dieser schöpferische Zustand mit den Felsbildern zusammen;
er hat immer eine Beziehung zu diesen, zur Kunst also - und beide, Felsbilder
und Träume, wurden und werden zusammen erwähnt. Die Aborigines sprechen von
Träumen, wenn sie ihre Mythen erzählen und vom Beginn der Welt berichten. Die
Urzeit, in der alles Leben entsteht, ist für sie in einem traumartigen Zustand,
den sie lalai nennen, in dem schöpferischen Zustand an sich. Als solcher
ist dieser Zustand aber nicht auf die Urzeit und die Urschöpfer beschränkt,
denn es ist auch dem Menschen der Gegenwart möglich, sich in diesen schöpferischen
Traumzustand zu versetzen.
-
Hans-Jürg Braun, Das Jenseits. Die Vorstellungen der Menschheit über
das Leben nach dem Tod. Frankfurt am Main 2000 (it 2516, zuerst 1996)
Träumen (3)
Wenn der lahme Weber träumt, er webe, |
- Clemens Brentano
Träumen
(4)
Träumen
(5) Alle Menschen tiäumen, aber nicht gleich.
Die, die während der Nacht in der staubigen Tiefe ihres Verstandes
träumen, wachen am Tage auf, um zu entdecken, daß alles nur Wahn war;
aber die Tagträumer
sind gefährliche Menschen, denn sie können ihren Tagtraum mit offenen
Augen darstellen, um ihn wahr zu machen. Das tat ich. Ich hattejlie
Absicht, eine neue Nation zu schaffen, einen verlorengegangenen Einfluß
wieder herzustellen, zwanzig Millionen Semiten die Grundlage dafür zu
geben, auf der sie den Traumpalast ihres nationalen Denkens bauen
könnten. Ein so hoch gestecktes Ziel rief nach dem angeborenen Adel
ihres Verstandes und brachte sie dazu, eine wichtige Rolle innerhalb der
Ereignisse zu spielen; doch als wir gewannen, da warf man mir vor, daß
die britischen Ölrechte in Mesopotamien angezweifelt würden und daß die
französische Kolonialpolitik in der Levante ruiniert war. -
T. E. Lawrence, Die sieben Säulen der Weisheit. München 1979 (dtv 1456,
zuerst 1922)
![]() ![]() |
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
![]() ![]() ![]() |
||
![]() ![]() |
![]() ![]() |