Träume, bedeutungslose  Mit friedvoller Stimme sage ich »Gute Nacht« und an mein Ohr dringt ein Gesurre von Hölzern, Wasser, Wind und Pendeluhr, das leicht ausreichen würde für eine zahlreiche Familie oder eine große Freundesrunde.

 Das Bett ist weich, breit und kühl. Ich weiß, daß ich nur eine Nacht darin schlafen werde; daher betrachte ich es mit herzlicher Zuneigung und wünsche mir, es möge wissen, daß ich es nicht vergessen werde, da ich ihm eine ganze Nacht lang, eine Nacht, in der ich gänzlich wehrlos war, meine Gestalt anvertraut habe. Ich könnte natürlich, wenn ich wollte, auch zwei Nächte hier rasten; streng genommen könnte ich das eventuelle Verschwinden des Regens auch mißachten und in diesem freundlich gesinnten Bett liegen bleiben. Ich würde, das weiß ich, das Frühstück und das Abendessen vorfinden, aber weder Frau noch Kinder wären da.

Mein Schlaf ist ruhig, wenn ich auch seit Jahren den hingebungsvollen Schlaf der Kindheit nicht mehr kenne. Ich träume häufig, es sind Träume, die mit meinem Weg, den Häusern und der Familie zu tun haben. Trotzdem sind meine Träume sonderbarerweise menschenleer, und wenngleich ich mir angewöhnt habe, sie aufzuschreiben, scheinen sie mir nichts anderes zu enthalten als Spuren von Bedeutungen und ziemlich nichtswürdige oder nicht zwingende Bedeutungen. Auf jeden Fall sind es angstlose Träume. In diesen meinen Träumen bin ich merkwürdig klein, ja winzig, weiß dabei aber nicht, nach welchem Maß ich mich so beurteile. Ich möchte nicht sagen in allen Träumen, aber wenn ich groß bin, dann habe ich eine riesenhafte Statur, so daß ich wahrscheinlich selbst die Maßeinheit sein muß; in dieser Verfassung kann ich mich selbst nicht sehen. Selten einmal kommen arglos prophetische Träume zu mir: verschwommen erkenne ich die Umrisse eines Hauses, in dem ich mich in einigen Tagen aufhalten werde; und in den Geräuschen, die in einer Woche meine Frau ausmachen werden, werde ich den in einer Regennacht geträumten Rhythmus wiedererkennen.   - Giorgio Manganelli, Reisenotizen. In: (irrt)

 

Traum Bedeutungslosigkeit

 

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