Touristenattraktion   Montmartre, diese Amme, die das Glück hat, Frankreichs Hirn zu ernähren, wie Rodolphe Salis, der Vater der Pariser humoristischen Zeitungen, sagte. Montmartre oder einfach la Butte, dieser von der Moulin de la Galette beherrschte Hügel, unterstrichen von den äußeren Boulevards und zwischen der Place Pigalle und der Place Clichy wie von zwei großen Schließen befestigt. Montmartre, das moderne Babylon, das elektrisierte Antiochien, das kleine Bagdad, der Traum des kosmopolitischen Somnambulismus, der fesselnde, betäubende, erstaunliche Winkel, dem sich der Traum der Blasierten des ganzen Erdenrunds zuwendet, wohin alle erfahrenen Konzessionäre der Liebe, die es auf der Welt gibt, pilgern, um das Taschentuch zu werfen, auch solche, die nichts zu schneuzen haben. Montmartre, die Sphinx, die Circe, die käufliche Meduse, strotzend von vielen Giften und unzähligen Liebestränken, lockt den Reisenden mit einem Zauber an, der alle Grenzen überschreitet. Komödien, Romane, Zeitungen wehen in alle Kontinente den Duft von Montmartre: den literarischen, theatralischen, journalistischen Hauch, dem jeder Künstler seine Moleküle beigefügt hat. Montmartre sendet in die Ferne aller Windrichtungen sein Glänzen berühmter Kahlköpfe, großherzoglicher Dekolletierungen, königlicher Edelsteine, fürstlicher Hemdbrüste, spitzer Zähne von unersättlicher Raubgier. Jeder von uns hat sich aus der Ferne ein künstliches Montmartre erdichtet, hingelagert in das Gefüge einiger Straßennamen, moulins, tabarins oder Nachtrestaurants.

Und wenn wir auf dem Montmartre ankommen, fühlen wir eine Enttäuschung, die wir nicht immer einzugestehen wagen, um uns nicht den Anschein zu geben, als gebärdeten wir uns wie abgelebte Leute. Aber im Grunde sagt jeder von uns: «Ist das alles?»   - Pitigrilli, Kokain.  Reinbek bei Hamburg 1988 (zuerst 1922)

 

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