otenschädel
Dschuang Dsï sah einst unterwegs einen leeren Totenschädel, der zwar
gebleicht war, aber seine Form noch hatte. Er tippte ihn an mit seiner Reitpeitsche
und begann also ihn zu fragen: »Bist du in der Gier nach Leben von dem Pfade
der Vernunft abgewichen, dass du in diese Lage kamst? Oder hast du ein Reich
zugrunde gebracht und bist mit Beil oder Axt hingerichtet worden, dass du in
diese Lage kamst? Oder hast du einen üblen Wandel geführt und Schande gebracht
über Vater und Mutter, Weib und Kind, dass du in diese Lage kamst? Oder bist
du durch Kälte und Hunger zugrunde gegangen, dass du in diese Lage kamst? Oder
bist du, nachdem des Lebens Lenz und Herbst sich geendet, in diese Lage gekommen?«
Als er diese Worte gesprochen hatte, nahm er den Schädel zum Kissen und schlief.
Um Mitternacht erschien ihm der Schädel im Traum und sprach: »Du hast da geredet
wie ein Schwätzer. Alles, was du erwähnst, sind nur Sorgen der lebenden Menschen.
Im Tode gibt es nichts derart. Möchtest du etwas vom Tode reden hören?« Dschuang
Dsï sprach: »Ja.« Der Schädel sprach: »Im Tode gibt es weder Fürsten noch Knechte
und nicht den Wechsel der Jahreszeiten. Wir lassen uns treiben, und unser Lenz
und Herbst sind die Bewegungen von Himmel und Erde. Selbst das Glück eines Königs
auf dem Throne kommt dem unseren nicht gleich.« Dschuang Dsï glaubte ihm nicht
und sprach: »Wenn ich den Herrn des Schicksals vermöchte, dass er deinen Leib
wieder zum Leben erweckt, dass er dir wieder Fleisch und Bein und Haut und Muskeln
gibt, dass er dir Vater und Mutter, Weib und Kind und alle Nachbarn und Bekannten
zurückgibt, wärst du damit einverstanden?« Der Schädel starrte mit weiten Augenhöhlen,
runzelte die Stirn und sprach: »Wie könnte ich mein königliches Glück wegwerfen,
um wieder die Mühen der Menschenwelt auf mich zu nehmen?« -
Dschuang
Dsï
Totenschädel (2)
Totenschädel (3)
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