otengesicht Durch
und durch erstarrt, ans eiskalte Fensterbrett geklammert, stand er halb auf
den Zehenspitzen und verharrte wie hypnotisiert.
Denn kaum einen Schritt von seinem entfernt, beugte sich ein Gesicht nieder
- das seines Halbbruders: ein Antlitz, um einen bis in die Todesstunde zu verfolgen.
Der Kopf war mit einer Art Nachtmütze bedeckt und kaum wiederzuerkennen. Der
natürliche Hingang von zwölf einsam verbrachten Jahren hatte die dereinst vertrauten
Züge zerstört. Die über den eckigen Backenknochen hervortretende Stirn ähnelte
geglättetem Stein. Die Ohren standen über dem knorpeligen Hals wie Fledermausflügel
ab. Der dünne, ungepflegte Bart über dem Kinn streifte die lange, knochige Hand,
die sich mit unendlich ermüdender Sorgfalt über den nackten Tisch bewegte. Regungslos
schickte die niederhängende Petroleumlampe ihren Strahl über dieses tiefversunkene,
totenhafte Antlitz, jede Linie, jeden Knochen, jede Höhlung und jede Falte enthüllend.
- Walter de la Mare, Der Baum. In: W. M., Aus der Tiefe. Frankfurt
am Main 1984 (st 982, zuerst 1923)
Totengesichter (2)
Totengesicht
(3) Roscios Ende hatte ihn tief getroffen, er empfand
Leere und Traurigkeit, besonders nachdem er den Toten gesehen hatte. Der Tod
hatte Roscios Gesicht mit einer schwefelgelben Blässe überzogen, und diese Schwefelmaske
erstarrte nun allmählich in der Luft, die schwer war vom Duft der Kerzen und
der welkenden Blumen und vom Schweißgeruch. Roscio schien nach und nach zu versteinern.
Unter der Maske ahnte man das entsetzte Erstaunen
des Toten und sein ängstliches Bemühen, diese Kruste zu durchbrechen. Dem Apotheker
hingegen hatte der Tod jene Würde und Gedankenstrenge verliehen, die zu Lebzeiten
niemand an ihm gekannt hatte. - Leonardo Sciascia, Tote auf Bestellung (mit zwei anderen
Mafiaromanen). Zürich 1983
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