opographie   24 Jahre alt ist Galilei, als er in der Accademia Fiorentina seine öffentliche Vorlesung hält: über Form, Lage und Größe der Danteschen Hölle. Nüchtern führt er die Zuhörer ein. »Was die Gestalt der Hölle anlangt, so hat sie die Form eines Kegels mit dem Scheitel im Erdmittelpunkt und der Basis zur Erdoberfläche hin.« Dann fährt er, ganz Landvermesser und Ingenieur, im selben trockenen Ton fort. »Die Hölle ähnelt so einem gewaltigen Amphitheater, das sich, von Rang zu Rang absteigend, nach unten hin verjüngt, mit dem Unterschied, daß sich beim Amphitheater unten der Spielplatz befindet, während die Hölle in einen Punkt mündet: den Erdmittelpunkt.« ...

Topologie der Hölle

Gehen wir davon aus, daß es Galilei ernst war mit seiner Beschreibung, daß ihn die Proportionen und das euklidisch Klare an der Konstruktion der Hölle sofort mehr interessierten als alle Lebensgeschichten und Schicksale ihrer Bewohner. Schnell hat er die mythologischen Beträge, den theologischen Überschuß aus den Gleichungen herausgekürzt, nur noch von Trichtern, Kegeln und Zylindern ist die Rede. Ohne weiteres werden Maße ins Feld geführt. Die einzelnen Höllenkreise, unterteilt in Gräben, werden konzentrisch von der Vorhölle nahe der Erdoberfläche bis hinunter zu den vier Eiskreisen der Verräter nachgezeichnet: Akribie, die ins Komische mündet, in eine andere Komik als die der posthumen Lebensschau. Jetzt erst wird nachprüfbar, ob Dantes Vorstellung einer realen Topographie entspricht, ob seine Fiktion geometrisch fundiert ist. Die ungeheuren Räume werden in Meilen gemessen. All diese Sümpfe, Unterweltsflüsse, Feuergräben, Blutseen, Vulkane, ganz gleich, ob sie als phantastische Überall-Landschaft je stimmig auf einem Atlas Platz gehabt hätten, Galilei reduziert sie zum Panorama, er schreibt sie fest auf die Summe ihrer Regionen zu je soundsoviel Meilen. Insgesamt beträgt die Entfernung der sogenannten Verbrechergräben zum Erdmittelpunkt 81 3/22 Meilen, die der Eiskreise von den Verbrechergräben 81 1/2 Meilen. Die Maße der Eiskreise selbst gewinnt er durch Vergleich mit der Größe Luzifers, einer Bemerkung Dantes zufolge, nach der dieser eher einem Riesen gleiche als der Riese einem Arm Luzifers. Interessanterweise beruft er sich hierfür auf Albrecht Dürer und sein Lehrbuch über die Maße des menschlichen Körpers. Man stelle sich vor: da wendet einer, ganz praktisch, die anatomische Proportionenlehre auf den Gigantenleib Luzifers an und setzt dann den Autor in eine zoologische Reihe mit diesem. »Dante also, d.h. ein normal gebauter Mensch, verhält sich zu einem Riesen wie 3 zu 44.« - (gr)

Topographie (2)  Im 6. Jahrhundert krönte der Mönch Kosmas, wegen seiner Reisen nach Indien und Ceylon Indikopleustes genannt, die kosmologische Restauration mit seiner »Topographia Christiana«. Er entwarf darin eine Welt, die nach den Maßen der mosaischen Stiftshütte gebaut ist: Sie ist rechteckig, außen von einem schmalen, ebenfalls rechteckigen Rahmen umgeben, dem Land, wo Noah vor der Flut wohnte. An der kurzen Ostseite dieses transozeanischen Landgürtels liegt das Paradies. Nach innen schließt sich das Weltmeer an, dessen Fluten die damals bekannte Welt umspülen; diese zeigt die von frühen Landkarten her bekannten Umrisse des Mittelmeerraums und ist in den äußeren Proportionen dem Rechteck angenähert. An der langen Nordseite dieses inneren Festlandes erhebt sich ein gewaltig hoher Berg, der von der Sonne umkreist wird und diese zur Nachtzeit verdeckt. Das Festland und das Meer zu Füßen des Berges aber sind nicht eben, sondern fallen von Nordwesten nach Südosten ab - weswegen bekanntlich Schiffe, die den beschwerlichen Aufstieg nach Norden und Westen zu bewältigen haben, die Säumigen genannt werden. Den Abschluß nach oben bildet ein auf vier Säulen ruhendes halbtonnenförmiges Gezelt (nach Jesaia 40), unter dem die Wandelsterne von Engeln im Kreis geführt werden.  - (meer)
 
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