Tölpelminute  Er sagte schon voraus zur Frau: »Wenns dir tulich ist, Lenette, so mache heute kein sonderliches Getöse - es ist mir beinah hinderlich, wenn ich dasitze und für den Druck arbeite.« Sie sagte: »Ich dächte, du hörtest mich kaum, so schleich' ich.«

Wenn der Mensch über die Tölpeljahre hinüber ist: so hat er noch jährlich einige Tölpelwochen und Flegeltage zurückzulegen: Siebenkäs tat die obige Bitte wahrlich in einer Tölpelminute. Denn nun hatte er sich selber genötigt, unter dem Denken aufzulauern, was Lenette nach dem Empfange des Bittschreibens vornehme. Sie lief jetzo über die Stubendiele und über die Fäden ihres häuslichen Gewerkes mit leisen Spinnenfüßen. Denn sie hatte wie andere Weiber nicht widersprochen, um zu widerstreben, sondern um nur zu widersprechen. Siebenkäs mußte fleißig aufpassen, um ihre Hände oder Füße zu hören; aber es glückte ihm doch, und er vernahm das meiste. Wenn man nicht schläft, so gibt man auf ein leises Geräusch mehr als auf ein großes acht: jetzt horchte ihr der Schriftsteller überall nach, und sein Ohr und seine Seele liefen, als Schrittzähler an sie angemacht, überall mit ihr herum — kurz, er mußte mitten in der Satire »der Edelmann mit seinem kalten Fieber« abschnappen, aufspringen und zur Schleicherin sagen: »Ich horche schon seit einer Stunde auf das peinigende Trippeln hin; ich wollte lieber, du trabtest in zwei lauten Krupezien herum, die mit Eisen besohlet sind zum Takt-Stampfen, als so — geh lieber wie gewöhnlich, Beste!« -

Sie tats und ging fast wie gewöhnlich. Er hätte gern, da er schon den lauten und den leisen Gang abgeschafft, auch gar den mittlern abgeordnet; aber ein Mann widerspricht sich nicht gern an einem Morgen zweimal, sondern nur einmal. Abends ersuchte er sie bloß, sie möchte, solang' er seine Satiren entwerfe, in Socken gehen, besonders weil der Fußboden kühle. - Jean Paul, Siebenkäs

 

Augenblick Tölpel

 

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