odesart, sizilianische  Am Morgen, es dämmerte eben, fanden zwei Bauern, die mit ihren Lasttieren vorbeikamen, den Mann mit dem großen schwarzen Kopf und der prächtigen Krawatte mitten auf dem Platz. Er hatte fünf Revolverschüsse abbekommen, einen in den Bauch, drei in die Brust, einen in den Nacken, und ebendieser mußte der letzte gewesen sein. Er war aus solcher Nähe abgegeben worden, daß die Haare versengt waren. Man hatte ihn auf einen Stuhl aus einer der Bars gesetzt und ihm eine Wiesenblume in den Mund gesteckt. Am erstaunlichsten war, daß seine Kleidung trotz der fünf Einschüsse nicht einen Blutstropfen aufwies.

Die zwei Bauern grüßten im Vorbeigehen:

»Küß die Hand, küß die Hand ...«

Am Ende des Platzes machten sie halt, plauderten ein wenig und gingen wieder zurück:

»Küß die Hand, küß die Hand ...»

Er wirkte lebendig, wie er im Schein einer Lampe mitten auf dem Platz ruhig dasaß, aufrecht und mit übergeschlagenen Beinen. Die Bauern richteten sich an der dunkelsten Stelle des Platzes ein und warteten. Nach einer Viertelstunde kam, in eine Art schwarzen Schal gehüllt, eiligst der Kanonikus Leone vorbei.

»Kalt, kalt heute«, murmelte er statt einer Begrüßung, wunderte sich, daß er keine Antwort bekam, verlangsamte seine Schritte, machte einen großen Bogen, kehrte vorsichtig zurück, verharrte einige Schritte vor dem Toten und schaute ihn schweigend an.

»Signor Villarä ...«, rief er halblaut, »Signor Villarä?« Er tat zwei Schritte nach hinten und lief dann rasch auf seine Kirche zu. In diesem Moment sah er die beiden Bauern in der Dunkelheit stehen, änderte schlagartig seine Richtung, rannte die hundert Meter den Corso hinunter und klopfte an der Kaserne der Carabinieri.

Um sieben Uhr war der halbe Ort auf den Beinen. Der Tote saß in unveränderter Haltung mitten auf der Piazza, denn der Wachtmeister der Carabinieri hatte angeordnet, ihn nicht zu berühren und auf den Ermittlungsrichter zu warten. So standen die Leute ordentlich und  schweigend im Kreis um ihn herum. Die älteren Herren hatten sich aus dem Vereinslokal oder einer der Bars einen Stuhl geholt und saßen dicht an dicht. Auch Wachtmeister Orofino, der seit zwei Tagen fieberte, hatte sich einen Stuhl bringen lassen, in zehn Metern Entfernung von dem Toten hingesetzt und wartete.  - Giuseppe Fava, Ehrenwerte Leute. Zürich 2003 (zuerst 1975)

 

Todesart Sizilien

 

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