ischgespräch  Er konnte bei einem Essen seiner Tischdame das Fleisch reichen oder auf ihr Filet im Teller hinweisen und sie fragen, ob sie schon mal in einem Schlachthaus gewesen sei. Er eben auch nicht, er kenne die Schlachthäuser nicht, wo man in die Tiere einen Bolzen jage, um sie zu betäuben, und wo es darauf ankomme, fachgerecht zuzustechen, denn rasches Ausbluten sei unerläßlich für die Lagerung; er selber kenne nur ein Schlachten im Freien, da würden die Tiere in eine Art Verschlag getrieben, und einer haue mit einem Hammer den Meißel in den Schädel und ein zweiter versuche mit einem Messer am Hals die Hauptschlagader zu treffen, und es herrsche ein entsetzlicher Gestank, nicht nur weil das Vieh in seiner Angst sich entleere, sondern Leil zur Schlachterei eine Knochensiederei gehöre, wo hauptsächlich Kinder die ausgekochten Knochen sauberschabten, und was für ein Gekläff und Gekreisch, weil sich Geier und Hunde um Berge von Därmen stritten - ›Bonappetit‹ und ›Mahlzeit‹.  - Hugo Loetscher, Die Papiere des Immunen. Zürich 1986

Tischgespräch (2)  Durch Verbeugung in der Türe anerkannte er die Individualitäten. Wer wäre er gewesen? Still nahm er Platz. Groß wuchteten die Herren.

Nun erzählte Herr Friedhoff von den Eigentümlichkeiten einer tropischen Frucht, die einen Kern enthalte von Eigröße. Das Weiche äße man mit einem Löffel, es habe gallertartige Konsistenz. Einige meinten, es schmecke nach Nuß. Er demgegenüber habe immer gefunden, es schmecke nach Ei. Man äße es mit Pfeffer und Salz. Es handelte sich um eine schmackhafte Frucht. Er habe davon des Tages drei bis vier gegessen und einen ernstlichen Schaden nie bemerkt.

Hierin trat Herrn Körner das Außerordentliche entgegen. Mit Pfeffer und Salz eine Frucht? Das erschien ihm ungewöhnlich, und er nahm dazu Stellung. Wenn es ihm doch aber nach Ei schmeckt, wies Herr Mau auf das Subjektive des Urteils hin, gleichzeitig etwas wegwerfend, als ob er seinerseits nichts Unüberbrückbares sähe.

Außerdem so ungewöhnlich sei es doch nun nicht, führte Herr Offenberg zur Norm zurück, denn zum Beispiel die Tomate? Wie nun vollends, wenn Herr Kritzler einen Oheim aufzuweisen hatte, der noch mit siebzig Jahren Melone mit Senf gegessen hatte, und zwar in den Abendstunden, wo derartiges bekanntlich am wenigsten bekömmlich sei?

Alles in allem: Lag denn in der Tat eine Erscheinung von so ungewöhnlicher Art vor, ein Vorkommnis sozusagen, das die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich zu lenken geeignet war, sei es, weil es in seinen Verallgemeinerungen bedenkliche Folgeerscheinungen hätte zeitigen können, sei es, weil es als Erlebnis aus der besonderen Atmosphäre des Tropischen zum Nachdenken anzuregen geeignet war? So weit war es gediehen, als Rönne zitterte, Erstickung auf seinem Teller fand und nur mit Mühe das Fleisch aß. Ob er aber nicht doch vielleicht eine Banane gemeint habe, bestand Herr Körner, diese weiche, etwas mürbe und längliche Frucht?

Eine Banane, wuchs Herr Friedhoff auf? Er, der Kongokenner?? Der langjährige Befahrer des Moabangi? Nein, das nötigte ihm geradezu ein Lächeln ab! Weit entschwand er über diesen Kreis. Was hatten sie denn für Vergleiche? Eine Erdbeere oder eine Nuß, vielleicht hie und da eine Marone, etwas südlicher. Er aber, der beamtete Vertreter in Hulemakong, der aus den Dschungeln des Jambo kam?  - Gottfried Benn, Die Reise. In: Prosa und Szenen. Wiesbaden 1960 (zuerst 1916)

Tischgespräch (3) »Ein Abbé, der an die Menschwerdung des Heiligen Geistes glaubte, an Paraklet, und der in der Lombardei, die er gewaltig aufregte, zwölf Apostel und Apostelschwestern einsetzte, die beauftragt waren, seinen Kult zu predigen, dieser, der Abbé Beccarelli, mißbrauchte wie alle Priester seiner Art außerdem beide Geschlechter, und er hielt die Messe, ohne seine Wollüste gebeichtet zu haben. Nach und nach wurde er in den Messen widernatürlich, da er an die Anwesenden aphrodisische Pastillen verteilte, die diese Besonderheit zeigten, daß, nachdem man sie verschluckt hatte, die Männer sich in Frauen verwandelt glaubten und die Frauen in Männer.

Das Rezept dieser Hippomanen ist verloren«, fuhr Des Hermies mit einem fast traurigen Lächeln fort. »Kurz, der Abbé Beccarelli nahm ein hinlänglich klägliches Ende. Wegen seiner Sakrilegien verfolgt, wurde er im Jahre 1708 verurteilt, durch sieben Jahre auf den Galeeren zu rudern.«

»Bei allen diesen schauerlichen Geschichten essen Sie nicht«, sagte Frau Carhaix; »nun, Herr Des Hermies, noch ein wenig Salat?«

»Nein, danke; aber ich glaube, es wird Zeit sein, da jetzt der Käse hier ist, den Wein aufzumachen«, und er entkorkte eine der von Durtal mitgebrachten Flaschen.

»Er ist ausgezeichnet!« rief der Glöckner aus, indem er seine Lippen schnalzen ließ.  - Joris-Karl Huysmans, Tief unten. Zürich 1987 (zuerst 1891)

Tischgespräch (4) Eines Tages beim Mittagessen - sie wohnten noch im Ensanche-Viertel - platzte Avelino plötzlich heraus:

„Kennst du die Barrera, Pilar Barrera, die, die heute morgen hier war? Ich ficke sie jedesmal, wenn sie in die Sprechstunde kommt."

„Ich ficke sie." Montserrat hatte diesen Ausdruck noch nie aus dem Mund ihres Manns, und wahrscheinlich auch aus keinem anderen Mund sonst, vernommen, aber sie erriet seinen Sinn, und deshalb hielt sie einen Moment lang in ihrer Bewegung inne, den Suppenlöffel auf halbem Wege zum Mund. Dann vermied sie es, Avelino anzuschauen, und schlürfte bedächtig ihre Suppe, schluckte sie hinunter und aß weiter, so als hätte sie nichts gehört. Und Avelino fügte hinzu:

„Und die Esperabe auch. Encarna Esperabe, jedesmal, wenn sie kommt. Ich lecke ihre Möse und sie lutscht meinen Schwanz."

Montserrat aß abwesend weiter und konzentrierte sich ganz auf das, was im Radio gesagt wurde, so als äße sie alleine zu Mittag. Es war das erste Mal, daß sie sich Avelino gegenüber taub stellte, aber ihn schien das nicht zu stören, er gab sich nicht einmal die Mühe, seine Worte zu wiederholen oder eine Antwort von ihr zu erwarten. Er fügte sich, und manchmal, einmal in der Woche, einmal im Monat, immer dann, wenn die Kinder nicht dabei waren, wenn sie noch in der Schule waren oder einen Ausflug unternahmen, machte er seinen Mund auf und ließ irgendeinen Quatsch los:

„Heute habe ich auf Dona Enriqueta geschissen. Der gefällt so was."

Und verfiel wieder in tagelanges Schweigen. Montserrat wußte, daß das nicht wahr war.  - Andreu Martín, Die Stadt, das Messer und der Tod. Bühl-Moos, Baden-Baden  1994

Tischgespräche (5) Ich vermute, daß Drieus Antisemitismus, der ihm jetzt aus triftigen Gründen mit besonderer Schärfe verübelt wird, sich aus den Kontroversen um Dreyfus entwickelt hat. Sie wurden damals auch am Familientisch geführt. Das hinderte ihn nicht, ein reiches jüdisches Mädchen zu heiraten, dessen Vermögen er während der kurzen Ehe verschwendete. Er erwähnt, daß er seine Frau nie geküßt habe, auch verschweigt er weder seine Exzesse in Bordellen noch seine Syphilis. - Ernst Jünger, Siebzig verweht V. Stuttgart 1997, Notat vom 23. August 1992

Tischgespräch (6)  »Hast du schon mal gesehen, wie eine Schlange eine Fledermaus frißt?« fragte Cundo Rey. »Da steckt ein Flügel aus dem Maul, und der Flügel, der bewegt sich noch. Zuckt, als ob er fliegen will. Aber der Schlange ist das egal. Und weißt du, warum? Weil sie den Rest der Fledermaus schon drin hat, und die sich in Saft auflöst. Die Schlange, die braucht sich überhaupt nicht zu rühren. Die liegt einfach da und schluckt, bis sie alles drunten hat. Braucht nicht mal zu kauen«, fügte Cundo Rey hinzu und beobachtete, wie Nobles von dem Hamburger abbiß und die Pommes frites, immer ein paar auf einmal, ins Ketchup tauchte und hinterherschob. »Mmmmmmm, gute, saftige Fledermaus.«

Sie saßen im McDonald's am Federal Highway in Delray Beach. Die Imbißstube war voll mit Anwohnern, die hier zu Mittag aßen. Nobles trug seine blaue Dienstuniform, aber nicht die Mütze. Die Männer in seiner Familie verbrachten ihr Leben hauptsächlich im Freien und nahmen im Haus nie die Mützen ab - aber er haßte das. Nein, am liebsten hatte er den Kopf frei, damit er sich immer mal wieder durch die goldenen Haare fahren konnte, damit sie natürlich fielen.

»Ich hab' Schlangen gegessen«, sagte er kauend. »Verschiedene Arten. Wenn man sie erst in Mehl wendet und dann in Öl ausbackt, bis sie knusprig sind, dann schmecken sie gar nicht schlecht. Aber 'ne Fledermaus hab' ich noch nie gegessen. Da ist ja auch nichts mehr dran, wenn man sie abgezogen hat.«   - Elmore Leonard, LaBrava. München 1991

Tischgespräch (7)  

Tischgespräch (8)  Als der Besucher nun einmal zwischen der schweigenden Gerda und dem fetten Steinmetz Platz genommen hatte, wurde dieser etwas heiterer und freier.

„Freuen Sie sich Ihres Lebens wie ein Brunnenrad, Mr. Redfern, pardon, Mr. Solent. Der Herr gibt uns Fleisch, um die Sauce aber müssen wir zum Teufel gehen, wie mein Großvater zu brummen pflegte. Ich garantiere Ihnen, dieses Stück Fleisch war wohl genährt und gut geschlachtet, das kann man schon sagen; 's ist nicht immer so bei diesen Dorseter Bauern."  - John Cowper Powys, Wolf Solent. Wien u. Hamburg 1986 (zuerst 1929)

 

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