Tisch, gedeckter

 

 - N.N.

Tisch, gedeckter (2)

- Greta Alfaro

Tisch, gedeckter (3)  Der Tisch, fünf Meter lang und zehn Meter breit, ist mit Tellern und mit Flaschen voll roten und weißen Weines gedeckt. Und an die zehn Töpfe voll mit bereits fertigen und heißen Dingen zum Essen. Gemüsesuppen, Salami, Wildbret, Gebäck, Obst, Käse. Auch Kutteln gibts, entbeintes Lamm, Aalklößchen, gefüllte Wachteln, geröstetes Brot und Knödel, helle und dunkle Oliven, Hammelkoteletts, Perlhuhn und Fasan, Ricottabällchen, Schwartenstreifen und Grieben, geröstete Maiskölbchen und Brunnenkresse. Die Augen von Millemosche, Pannocchia und Carestia versinken in all diesen eßbaren Wunderdingen, dieweil ihre Beine sie Schritt um Schritt zum großen Tische leiten. Allein, als sie vor ihm stehen, wissen sie nicht, wo sie beginnen sollen, und verharren mit verschränkten Händen, die sich nicht rühren. Das wird doch nicht etwa ein Scherz sein? Oder eine Täuschung? Oder eine Falle? Endlich dreht Millemosche sich um und sieht den König an, welcher neben ihm steht, so, als warte er auf Anweisungen. »Ihr esset nicht, Majestät?«

»Ich und meine Würdenträger werden die Reste essen. Und nenn mich nicht Majestät, denn der König bist von nun an du.«

»Und was, wenn wir alles aufessen und keine Reste übrigbleiben?« »Das ist nicht möglich.« »Ich sage Euch, das ist möglich.« »Dann nehmen wir es eben hin.«

Pannocchia und Carestia warten darauf, daß Millemosche beginnt, zumal er jetzt König ist und es ihm zukommt, als erster zu essen. Da schnüret Millemosche sein Hemd am Halse auf, setzet die Krone ab, nimmt voll Feingefühls eine schwarze Olive und steckt sie sich in den Mund. Pannocchia und Carestia tun es ihm gleich, und weil sie nicht wissen, wohin sie den Kern spucken sollen, verschlucken sie ihn zusammen mit dem Fruchtfleisch. Dann greift sich Millemosches Hand einen Perlhuhnschenkel, und gleichermaßen greifen die Hände der beiden anderen sich zwei Stücke Fleisches, die sie mit drei zangenkräftigen Bissen entbeinen. Dann reicht Millemosche seinen Knochen dem König, nachdem er mit ihm einen Blick noch voller Unsicherheiten gewechselt hat. Der König nagt den Knochen ab, dann zermalmt er ihn mit den Zähnen, um auch noch das Mark herauszusaugen. Auch Pannocchia und Carestia werfen den Würdenträgern ein paar Reste hin, doch an dem, was in deren Hände gelangt, gibt es nichts mehr abzunagen. Der König sagt nichts. Nun, da er König ist, kann Millemosche tun, was er will. Der andere zählet nicht mehr. Er versucht, ihm einen Fußtritt zu geben, alldieweil ein König kein König nicht ist, wenn er nicht wem und wann er will Fußtritte versetzen kann.   - Luigi Malerba, Tonino Guerra: Von Dreien, die auszogen, sich den Bauch zu füllen. Berlin 1996 (zuerst 1969)

 

Mahlzeit Tisch

 

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