isch  Da kamen... weit vom Rande her... zwei kleine, wackelnde Figürchen — quer über den Tisch. Das waren offenbar seine  Eltern. Aber so klein, daß er für sie nichts empfinden konnte. Auf der anderen Seite verschwanden sie wieder. Dann kamen wieder zwei, - doch halt, da lief einer von rückwärts an ihnen vorbei - mit Schritten, die doppelt so lang waren wie sein Körper -, und schon war er hinter die Kante getaucht; war es nicht Beineberg gewesen? - Nun die zwei; der eine von ihnen war ja doch der Mathematikprofessor? Törleß erkannte ihn an dem Sacktüchlein, das kokett aus der Tasche schaute. Aber der andere? Der mit dem sehr, sehr dicken Buch unter dem Arm, das halb so hoch war wie er selbst? Der sich kaum damit schleppen konnte?... Bei jedem dritten Schritte blieben sie stehen und legten das Buch auf die Erde. Und Törleß hörte die piepsige Stimme seines Lehrers sagen: Wenn dem so sein soll, finden wir das Richtige auf Seite zwölf, Seite zwölf verweist uns weiter an Seite zweiundfünfzig, dann gilt aber auch das, was auf Seite einunddreißig bemerkt wurde, und unter dieser Voraussetzung... Dabei standen sie über das Buch gebückt und griffen mit den Händen hinein, daß die Blätter stoben. Nach einer Weile richteten sie sich wieder auf, und der andere streichelte fünf- oder sechsmal die Wangen des Professors. Dann kamen abermals ein paar Schritte vorwärts, und Törleß hörte von neuem die Stimme, genauso, wie wenn sie im Mathematikunterricht einen Bandwurm von Beweis abfingerte. So lange, bis der andere wieder den Professor streichelte.

Dieser andere...? Törleß zog die Brauen zusammen, um besser zu sehen. Trug er nicht einen Zopf? Und etwas altertümliche Kleidung? Sehr altertümliche? Seidene Kniehosen sogar? War das nicht... ? Oh! Und Törleß wachte mit einem Schrei auf: Kant! - Robert Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß. Reinbek bei Hamburg 1965 (zuerst 1906)

Tisch (2)

Tisch (3)

- Meret Oppenheim

Tisch (4)

Von Tischen die sich wie altjüngferliche Bäche
zu Paaren treiben
und schließlich austrocknen lassen
kann man ohne zu übertreiben behaupten
daß sie wenn nicht den Kopf
so doch den Hut auf dem Kopf
verloren haben.

Tische die Berge von Rosen tragen
sodaß sie zusammenzubrechen drohen
erwarten einen Rosenfresser.
Die Rosenfresserei hat in letzter Zeit
die Menschenfresserei verdrängt.

Ein Tisch dem die trockene Zunge
armlang aus seinem feurigen Wüstenhorizont hängt.

Ein hausgroßer gläserner Tisch
auf dem nicht ein Brotsämchen liegt
mit einer gewaltigen Schublade
voll tollwütiger
vor Hunger sich beißender Menschen.
Kein Laut dringt aus der Schublade.

Ein vierbeiniger Tisch
mit zwei Menschen an Stelle von Tischbeinen
die sich tief verbeugt hatten
plötzlich tief verbeugt versteinerten.

Ein einbeiniger Tisch mit einem Schnabel
wie ein mittelalterlicher Wasserspeier
hüpft auf seinem einen und einzigen Bein
hoch hoch in die Luft
und fängt zum Spaß
mit seinem gewaltigen Schnabel Wolken.
Dies ist ein heitererer Sport
als das Fußballspiel unserer vierbeinigen Esel.

- Hans Arp, Worte mit und ohne Anker. Wiesbaden 1957

Tisch (5)   "Was ist das eigentlich, was ich da betaste? Holz, natürlich, und als Ganzes ein voluminöser Gegenstand, der sich zwischen Ihnen und mir befindet, etwas, das uns mit seinem kurzen, elenden Hieb aus Mahagoni gewissermaßen trennt. Ein Tisch! Aber was ist das? Man spürt deutlich, daß es hier unten, zwischen diesen vier Beinen, eine feindselige Zone gibt, noch heimtückischer als die massiven Teile; ein Parallelepiped aus Luft, wie ein Aquarium mit durchsichtigen Medusen, die gegen uns konspirieren, während hier oben (fährt mit der Hand darüber, wie um sich zu vergewissern) alles noch glatt und gelackt ist, ganz japanischer Spion. Wie sollen wir uns, durch so viele Hindernisse getrennt, verstehen? Wenn diese halb eingeschlafene Dame, die merkwürdige Ähnlichkeit mit einem vollgefressenen Maulwurf hat, unter den Tisch kriechen und uns das Ergebnis ihrer Erkundungen mitteilen möchte, vielleicht könnten wir dann die Schranke aufheben, die mich nötigt, mich an Sie zu richten, als würde ich mich von der Mole Southamptons an Bord der Queen Mary entfernen, ein Schiff, mit dem ich immer schon gern reisen wollte, und winkte mit einem von Tränen und Yardley-Lavendel durchtränkten Taschentuch den traurig auf der Mole aufgereihten Parkettsitzen die einzige noch mögliche Botschaft zu. Ein zutiefst abscheulicher Hiatus, warum hat der Vorstand diesen Tisch zwischen uns gestellt, der einem obszönen Pottwal ähnelt? Es nützte gar nichts, mein Herr, wenn man sich erböte, ihn zu beseitigen, denn ein ungelöstes Problem kehrt auf dem Wege des Unbewußten wieder, wie das Marie Bonaparte in ihrer Analyse des Falles Madame Lefèvre, die ihre Schwiegertochter in einem Auto ermordete, überzeugend dargetan hat. Ich anerkenne Ihren guten Willen und Ihre zur Tat drängenden Muskeln, aber es scheint mir unerläßlich, daß wir das Wesen dieses unbeschreiblichen Dromedars ergründen, und ich sehe keine andere Lösung, als daß wir uns beide, Sie auf Ihrer Seite und ich auf der meinen, auf diese hölzerne Zensur stürzen, die langsam ihr abscheuliches Kenotaph krümmt. Raus, du obskurantistischer Gegenstand! Er geht nicht, das ist klar. Eine Axt, eine Axt! "  -  Julio Cortázar, Ende der Etappe. Die Erzählungen Bd. 4. Frankfurt am Main 1998

Tisch (6)  

- Jack Vettriano

 

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