Tiroler    »Woascheh«, hat die Südtirolerin zum Brenner gesagt, aber das war Südtirolerisch und hat eigentlich nur »weißt du eh« geheißen.

Der Brenner hat das problemlos verstanden, weil ein Polizeischulkollege war aus Sterzing, der Ladinig, der hat immer alle Exekutiv-Schimeisterschaften gewonnen, und im Sommer begeisterter Bergsteiger, jedes Wochenende heimgefahren bergsteigen, aber interessant, abgestürzt ist er nicht in Südtirol, sondern ausgerechnet am Matterhorn. Zwei Wochen nach dem Polizeischulabschluss. Der Ladinig hat auch immer dieses alles erklärende »Woascheh« gesagt, und darum hat der Brenner die Südtirolerin jetzt problemlos verstanden.

Und interessant, er hat nach diesen zwei Wörtern wirklich alles gewusst, und sie hätte gar nicht so genau erklären müssen, dass bei ihr das Thema Sex schon lange und für immer abgeschlossen war. Sie hätte dem Brenner gar nicht aufzählen müssen, dass sie diese Wissenschaft schon in den ersten Sexjahren in Südtirol komplett zu Ende studiert hat, der Brenner hätte es auch verstanden, wenn sie nicht jedes einzelne Feuerwehrfest, jedes einzelne Musikfest, jede Landdisco, jeden Lehrer, jeden Pfarrer, jeden Kirchenchorleiter einzeln aufgezählt hätte, bevor sie zu ihrem Ergebnis gekommen ist: »Der Tiroler Mann ischt so ein Gefühlstrottel, das kannst du dir nicht vorstellen.«

Den Brenner hat das gewundert, weil der Ladinig war einer der nettesten Kollegen, bei den Frauen beliebt und alles. Ich persönlich kann es mir auch nicht vorstellen, dass jetzt gerade die Tiroler solche Nieten und Grobiane sein sollen, aber die Monika hat das eben so gesehen. Ich glaube, wenn sie zufällig woanders aufgewachsen wäre, hätte sie es vielleicht auf dieses Land geschoben, aber sie ist nicht davon heruntergestiegen, der Tiroler im Allgemeinen und der Südtiroler im Speziellen ein gefühlloser Pinocchio.   - Wolf Haas, Der Brenner und der liebe Gott. Hamburg 2009

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