iger greifen selten Menschen an, obwohl die Angriffe auf Menschen zugenommen haben, je häufiger die sich ausbreitende menschliche Bevölkerung mit Tigern in Kontakt kam.
Solche Angriffe erfolgen üblicherweise, wenn der Tiger sich
oder seine Jungen in Gefahr sieht. In solchen Fällen frißt der Tiger sein menschliches
Opfer aber so gut wie nie. Es gibt allerdings einige Tiger, die einen gewissen
Geschmack an Menschenfleisch gefunden haben. -
(
Reilly
)
Tiger
(2) Gut, daß Sandokan,
der Tiger von Malaya, der berühmte Held indischer Abenteuerserien des italienischen
Seefahrers und Journalisten Emilio Salgari (1863-1911) eine gezähmte
Tigerin namens Darma bei sich hat, die ihn oder seine Freunde vor den schrecklichen
Nachstellungen der bösartigen Thugs errettet: «Tremal-Naik hatte sich erhoben,
um nachzusehen, ob dort jemand sei; da vernahm er in geringer Entfernung ein
Rauschen im Dickicht, dann spürte er auf den Schultern einen Strick, und die
Kehle wurde ihm zugeschnürt. Er hob seinen parang, um den Strang durchzuschneiden,
da schleuderte ihn ein mächtiger Stoß zu Boden. 'Jetzt habe ich dich', sagte
eine Stimme ganz in der Nähe. Dann sprang ein halbnackter Mensch, der auf der
Brust die Tätowierung der Thugs trug, aus dem Dickicht, warf sich auf ihn und
hielt in der Hand einen langen Dolch. Aber der Würger war zu sehr damit beschäftigt,
seinen Gegner zu fangen, als daß er darauf geachtet hätte, ob noch andere Gefahren
nahe seien. Es schien, als ob Tremal-Naik keinen Widerstand leisten wolle; er
wartete ab. Der Thug war glücklich über seine Beute, aber plötzlich löste sich
ein Schatten aus dem Bambusgehölz und sprang ihm mit einem ungeheuren Satz an
den Hals und warf ihn mit einem Schlag zu Boden. Man hörte einen erstickten
Schrei, dann so etwas wie das Mahlen von Knochen. Darma hatte sich auf den Würger
gestürzt und ihm die Kiefern um den Schädel gepreßt, während die mächtigen Krallen
ihm grausam die Brust zerfleischten.» - (
schen
)
Tiger
(3) Im Gefängnis von
Nithur zeigte der Gouverneur eine Zelle, an deren Boden, Wände und Deckengewölbe
ein muselmanischer Fakir (in barbarischen Farben, die die Zeit eher verschärfte
denn verwischte) eine Art unendlichen Tiger gemalt hatte. Dieser Tiger bestand
aus einer schwindelerregenden Vielzahl von Tigern; er war durchkreuzt von Tigern,
enthielt Meere, Himalajas und Heere, die weitere Tiger zu sein schienen. Der
Maler war vor vielen Jahren in der nämlichen Zelle gestorben; er stammte aus
Sind oder Gujarat und hatte eigentlich eine Karte der Welt zeichnen wollen.
-
(bo3)
Tiger
(4) Da stand
ein mächtiger farbiger Tiger neben ihnen und duckte sich, als wenn er losspringen
wollte. Die Väter hatten schon viele Tiger von weitem und aus der Nähe gesehen,
niemals hatte sich ihnen einer genähert.
Dies war ein großes, verhungertes, gereiztes Tier. Die beiden Dunklen sprangen mit ihren Stöcken vor, hielten ihren Stock an beiden Enden fest und streckten ihn der wütenden Katze hin.
Das Tier ließ sich auf den Bauch und biß von unten in die Stange. Es biß sehr fest, geiferte und rollte die Augen. Der dunkle Mann, der den Stock hielt, begann zu arbeiten, das Tier wollte ihm den Stock entreißen, er folgte dem Ruck, riß nach rechts, nach links, herauf, herunter. Das Tier hätte loslassen und auf den Mann springen können, aber es hielt fest. Es wurde durch die Bewegungen gereizt und wilder und wilder, es fraß schon den Mann, es biß schon den Mann, obwohl das Glied, das er hinhielt, knochenhart war. Der Mann wollte seinen knochigen Arm wiederhaben, das Tier gab ihn nicht her. Es ging nach rechts, nach links, herab, herauf, das Maul blutete. Das Tier zerrte nach rückwärts. Der Mann aber fing einen Rhythmus an, und seine beiden dunklen Begleiter hinter ihm knurrten und ächzten den Rhythmus mit, alle drei die Augen heiß auf das Tier gerichtet, das mittanzte. Sein Leib flog nach rechts und links, die Kiefer ließen nicht los, der Schwanz peitschte leer zur Seite, manchmal drückte er sich an den Boden, jetzt rollte der Körper, der Schwung war schon groß, der Mann drehte das Tier auf die Flanke, es zerrte zurück, er warf es auf die andere, es zuckte zurück, er warf es in einem Ruck ganz um, auf den Rücken, die gewaltigen Hinterpranken stießen frei in die Luft, der weiße heiße Leib lag bloß. Im Augenblick sprang ein Mann hervor, war über dem Tier, grub ihm sein langes spitzes Knochenmesser tief in den Leib und riß es nach hinten durch und heraus.
Der Tiger schleuderte sich herum und bäumte sich auf. Das Spiel war zu Ende.
Die Stange flog ihm aus dem Maul. Die Menschen flohen. Es war zu Ende mit dem
Tier. Einen tiefen gähnenden Schrei stieß es hinter denen aus, die es verlassen
hatten. Noch einen. Der Schmerz war ungeheuer. Es steckte den Kopf und die Zunge
in die fürchterliche Wunde und zog sie blutbegossen heraus. Es stieß einen röchelnden
Fluch gegen die Flüchtigen aus. Dann wand es sich um die Wunde, sank in sich
und war tot. -
Alfred Döblin, Amazonas. Romantrilogie. München 1991 (entst. 1935-37)
Tiger
(5)
Tiger! Tiger! grauses Licht, Das aus Nacht und Wäldern bricht, Wessen Schöpferdrang gestillt Hat dein entsetzliches Gebild? Welcher Schlund hat ausgeschickt Jenes Feuer für deinen Blick? Wessen Schwinge trugs mit Mut? Wessen Hand ertrug die Glut? Wessen Arm und wessen Plan Flocht ums Herz die Aderbahn? Wer, da schon dein Herz erscholl, Bog dir Pranken schaudervoll? Wo der Hammer? wo sein Klirrn? Wo der Ofen für dein Hirn? Welcher Amboß fürchterlich Durfte, Schrecknis, bilden dich? Als die Sterne aufgewacht, Himmelstränen dargebracht, Sprach er: Es ist gut! zu sich? Der das Lamm schuf, schuf er dich? Tiger! Tiger! grauses Licht, Das aus Nacht und Wäldern bricht, Wessen Schöpferdrang gestillt Hat dein entsetzliches Gebild? |
- William Blake, nach
(arc)
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