Theaterschminke  Das wirklich Tragische am Alter ist, daß eine hübsche Frau sich in einen runzeligen, kränklichen, kraftlosen Kadaver verwandelt. Ich erinnere mich noch an Tante Letty, wie sie in ihrem kleinen Zimmer mit dem Kamin aus roten Ziegeln geistesabwesend in ihrem Schaukelstuhl saß, das blasse, kranke Gesicht stark geschminkt. Solche Make-ups gibt es gar nicht mehr. Es war eine kalkweiße Flüssigkeit, die man sich über das ganze Gesicht strich und über die Arme, und dann kamen zwei runde Flecken Rot auf jede Wange. „Theaterschminke" nannte es Tante Letty. Ich erinnere mich, noch in den zwanziger Jahren alte Damen gesehen zu haben, die sich auf diese Art schminkten. Später wurde es Mode, fette Wangenfarbe aufzutragen und einen glänzenden Lippenstift zu verwenden.

Tante Letty saß einfach da, in ihre grüne Baumwolldecke gewickelt, kleine, abgetragene rote Slipper an den Füßen. Das Haar war aschgrau geworden, seit sie vor langem aufgehört hatte, es zu färben. Sie bückte mich mit harten Augen an, und während sie so schaukelte, sagte sie mit angestrengter Stimme: „Geh weg von hier, Mädchen. Wenn du bleibst, geht es dir nicht anders als meiner Schwester Essie, deiner Mutter. Dann ist es aus mit dir, ausgepreßt von einer Horde von Bälgern, alle neun Monate einen, und ein dreckiger alter Bock, der dich jede freie Minute, die er nicht Dünger schaufelt, auf die Matratze drückt."   - Nell Kimball, Madame - Meine Mädchen, meine Häuser. Hg. Stephen Longstreet. Frankfurt am Main, Wien und Berlin  1982 (entst. ca. 1917-1932)

 

Theater Schminken

 

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