Textmord    Man nehme zum Beispiel vorliegenden Kommentar: ähnelt er nicht dem Messerstich, der in den fetten Leib einer Existenz, die durchaus eine Alternative zu unserer ist, eindringt? Deren gastrische Wölbung ein Grabhügel verdorbener Luft ist, aus der die Seele leisfurzend entweicht und sich endgültig verliert; oder ist der Kommentar nicht wie ein brennender und herzlicher Revolverschuß, der die rhetorische Verschwörung des Körpers aufreißt, die analogische Schädeldecke öffnet und mit verächtlicher Entschiedenheit die unpassende Metapher des Herzens enthüllt; und daher die würdevolle Widerspenstigkeit des Leichnams anstelle des trügerischen Weiterlebens setzt?

So wie das Gift in den Körper eindringt und ihn von innen verbrüht und verbrennt, den wohlbedachten Durchlauf des Blutes durcheinanderbringt und aus den durchlöcherten Gekrösen regnen läßt in lauer Ergießung endgültiger Hämoragie; genauso verdirbt das Gift der Kommentare von innen den majestätischen und unwegsamen Körper und zerstreut die Lebenssäfte. Und sofern man mit solchem Textmord mittels Kommentar einen Gottesmord begeht, nun gut, wäre das wirklich Grund genug zu solchem Gezeter? Oder verfluchen wir Gott nicht etwa täglich wegen jedes Strohhalms, der uns zwischen die Beine gerat? Und sollte hinter diesem Text etwa, mit gewisser Feigheit, jener so tüchtige große Gott auf Lauer liegen - könnten wir dann nicht hoffen, daß wir mit unseren hämischen Pfeilen aus diesem gesichtslosen Gekröse einen solchen Blutsturz hervorlocken, daß wir unsere Hände darin waschen und sie reinigen können von jeder Kommentars-Rückenmarksschwindsucht?   - Giorgio Manganelli, Omegabet. Frankfurt am Main 1988 (zuerst 1969)

Text Mord

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