Teufelstanz   Alle tranken das frische Blut, vermischt mit dem starken Rum. Ein gräßliches Getränk, aber man trinkt es, muß es trinken, mehr und immer mehr —

Nun stellte sich einer der Teufelspriester in die Mitte, neben die Priesterin. Er riß die Maske ab, warf das Fell herunter. Nackt stand der schwarze Kerl da, den Leib wunderlich mit Blutzeichen bemalt, die Hände tief rot von Blut. Alles schwieg, nirgends hörte man einen Laut. Nur die kleine Hountrommel wirbelte leise zu dem Teufelstanz, dem Tanz Dom Pèdres, der nun beginnen sollte.

Unbeweglich stand der Tänzer da, ohne sich zu rühren, minutenlang. Langsam wiegte er sich hin und her, den Kopf erst, dann den Leib leise wiegend. Alle seine Muskeln spannten sich, eine seltsame Erregung bemächtigte sich seiner, schien wie ein magnetisches Fluidum allen sich mitzuteilen.

Man betrachtet einander, noch regt man sich nicht, aber man fühlt, wie die Nerven zucken. Nun tanzt der Priester, dreht sich langsam erst, dann schnell und schneller, lauter tönt die Hountrommel und die Hountortrommel fallt ein. Da kommt Bewegung in die schwarzen Leiber, den Fuß hebt eines, das andere den Arm. Sie verschlingen einander mit den Blicken; schon fassen sich zwei und drehen sich im Tanze. Nun brüllt auch die Hountorgri und die mächtige Assauntortrommel, ihr Fell aus Menschenhaut heult einen wütenden aufreizenden Wollustschrei. Alle springen auf, drehen sich im Tanze, stoßen, treten einander, machen gewaltige Bocksprünge, werfen sich zu Boden, schlagen den Kopf auf die Erde, springen wieder auf, schleudern Arme und Beine und rasen und schreien in dem wilden Rhythmus, den die Priesterin singt. Stolz steht sie in der Mitte, hebt die göttliche Schlange hoch in die Luft und singt ihren Sang: »Leh! Eh! Bomba, hen! hen!« Neben sie drängt sich der Papaloi, aus großen Kübeln spritzt er Blut über die schwarzen Gestalten, die immer wilder springen, immer wütender das Lied der Königin heulen. Sie fassen einander, reißen sich die roten Lappen vom Leibe. Die Glieder verrenken sich, heißer Schweiß rieselt von den nackten Körpern. Trunken von Rum und Blut, aufgepeitscht zu maßloser Wollust, springen sie aufeinander wie Tiere, werfen sich zu Boden, schleudern sich in die Höhe, schlagen die gierigen Zähne dem ändern in das schwarze Fleisch. Und ich fühle, daß ich mit hinein muß in diesen Teufelstanz rasender Menschen. Eine wahnsinnige Lust jauchzt durch den Saal, ein blutgieriger Liebestaumel, der über alles Irdische hinauswächst. Längst singen sie nicht mehr, aus ihren Konvulsionen und Delirien schallt nur der gräßliche Teufelsschrei: »Aa-bo-bo!« Ich sehe Männer und Weiber sich ineinander beißen, in allen Stellungen und Lagen nehmen sie einander. Blutrünstig schlagen sie die Nägel ins Fleisch und reißen sich tiefe Kratzwunden. Und das Blut trübt ihre Sinne, ich sehe Männer auf Männer, Weiber auf Weiber kriechen. Da wälzen sich fünf in einem schwarzen Knäuel ineinander, da steigt einer, wie ein Hund, über den Schlangenkorb. Ihre rasende Wollust kennt keine Geschlechter mehr, unterscheidet nicht einmal mehr lebende Wesen und tote Gegenstände.

Zwei Negerdirnen stürzen auf mich zu, zerren an meinen Kleidern. Und ich greife sie an den Brüsten, reiße zu Boden. Wälze mich herum, heule, beiße — tue wie alle andern. Ich sehe wie Adelaide ohne Wahl einen Mann nach dem andern nimmt, aber auch Weiber, immer andere, immer neue, unersättlich in dieser teuflischen Wollust. Sie springt auf mich zu, nackt, nackt, rotes Blut sickert von ihren Armen und Brüsten. Nur die blaue Priesterbinde schmückt noch die Stirne, wie schwarze Nattern kriechen die dicken Haarlocken darunter. Sie reißt mich zu Boden, nimmt mich mit Gewalt, springt wieder auf und stößt mir ein anderes Weib in die Arme. Und sie taumelt fort, umfangend und umfangen, immer von ändern schwarzen Armen —

Und, ohne Widerstand nun, werfe ich mich in den wildesten Taumel, in die unerhörtesten Umarmungen, springe, rase und schreie, wilder und wahnsinniger als einer, das entsetzliche: »Aa-bo-bo!«   - Hanns Heinz Ewers, Die Mamaloi. In: H. H. E., Die Spinne. München und Berlin 1974

 

Teufel Tanz

 

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