Teufelsanatomie  Auf einmal that er nach dem Athem den hastigen Zug, womit man gewöhnlich zum frischen Sprechen ausholt, wie man etwan die Blasebälge der Orgel wehen hört, eh' sie selber tönet. Er ließ aber den eingefangnen Athem ohne Reden und Nutzen wieder aus. »Sie Wollten was sagen?« sagt' ich. »Ihren weiten Stiefelknecht wollt' ich blos haben«, versetzte er. Ich langt' ihn hin, und er zog auf ihm - denn mich hatte er allzeit in der Drapperie und der poetischen Einkleidung des Schwanzes, Pferdefußes usw. besucht - zu meinem unaussprechlichen Erstaunen seine Pferdefüße wie alte Stiefel aus. »Das sind blos«, sagte er im Heruntertreten vom Stiefelknecht, »meine uralten Halbstiefel, und sie gehörten dem Pferd des Alexanders an. Ich war der erste, der auf Pferdefüßen ging und nur auf 2weien: aber Menschen von Stande regen sich auf weit mehreren, und wer 32 Ahnen hat, der kann seine Bewegung um die Axe und um die Erde ohne 32 Pferdefüße gar nicht verrichten; daher kömmts, daß vornehme Personen nimmer gehen können, sobald man ihnen die Beine abschießet oder ihren Pferden. Die Halbstiefel sind als Bräutigamsschuhe nicht mit Geld zu bezahlen, die ich auf meiner Hochzeit mit einer vornehmen Yahoos zum erstenmale angehabt.« An seinen Beinen glänzte nun ein glatter melierter Strumpf, der aus der wedelnden Wade und übrigen Hülse der Beine eines Grafen gegerbet worden, den ich (sagte der Teufel) doch nicht kennen würde, wenn er mir ihn auch nennte. Strumpf und Wade repräsentieren einander wechselseitig. Auf seinen Schuhen (das Leder war vom Fuße eines Barfüßer Mönchs, damits hielte) flatterten Ordensbänder als Schnallen. »Sie hätten sich auf keinen schönern Fuß setzen können, Herr Teufel« - dieses jämmerliche Wortspiel heckte, wie leicht zu vermuthen, ich.

Hierauf schoß er seinen Kopf einigemale vorwärts: sofort sprangen seine zwei Hörner in die Stube, die ich auflas und als ein Paar gute Pulverhörner befand. Als der wilde Jäger könnt' er sie keine Nacht entrathen. Ich merkte jetzt, daß er sich von oben in eine saubere Frisur endigte, wie fast ein jagender Mensch: allein deßwegen bleibt doch immer zwischen einem Jägermeister nebst seinen Leuten und zwischen dem wilden Jäger nebst dem wüthenden Heer der gute Unterschied, daß blos jener den Bauern die Ernte zerrütiet, aber nicht dieser, und der Teufel und der Oberjäger sind hierin gar nicht zu vermengen.

»Mein Schwanz lasset sich dehnen, und spannen Sie ihn!« Als ich anzog, dreht' ich ihn gar heraus und hielt ihn ausgerauft in Händen, wie ein Kind den des entwischten Vogels. Wir trugen ihn darauf wagerecht miteinander ans Licht und besahen ihn aus Zerstreuung. Er wollte mir weißmachen, er hätte ihn einem Hanswurst, der auf dem letzten Jahrmarkt den Teufel damit agieren wollte, a posteriori abgefangen, und der Hanswurst hätte ihn von einem Roßhändler und der hätte ihn von einem deutschen Pferde gehabt, das nun ohne Naturalisazionsakte zu einem Engländer geworden: allein ich sagt' es ihm, er sollte nicht läugnen, was die christliche Kirche schon wisse, daß er länger einen führe. »Ich bin der Vater der Lügen, aber blos aus Humor«, sagte er; »die Rabbinen wissen, daß Gott den Adam mit einem Schwanze besetzt hat, den er ihm, weil er ihm nicht gefiel, soll abgenommen und zu einer Frau verbraucht haben: es ist aber nicht wahr, sondern der Schwanz blieb, wie er war, und setzte sich so an mich; inzwischen ist kein Mensch zu anglisieren, sondern jeder trägt so gut wie der Teufel seinen Pferdescbweif, aber nur innen.« Der Teufel dachte, ich würde wenig Anatomie verstehen und dieses figürlich nehmen: allein ich wußte sie recht gut und sagte ihm den Augenblick, daß er ja ganz mit uns Anatomikern rede, wenn er die Endigung des Rückenmarks den Pferdeschweif benamse.

Nun fing der böse Feind auch an, allmählich seine Haut aufzuknöpfen, und ich gefror fast vor Verwunderung.

Die Knöpfe waren alle unter ihr eingenäht und liefen von beiden Achseln bis zu den beiden Kniescheiben. Die schwarze Haut riss und kugelte von ihm herunter, und er schritt mit den Worten aus ihr: »Dieser ungeistliche Ornat ist gut genug und thut einem so warm, als hätte man den alten Adam an, der indessen bestialisch aussieht: allein ich mag den Ornat nicht mehr, so lang noch Leute herumlaufen, die ihn zerschneiden können, um etwas Bessers daraus zu gerben, nach welchem die besten Stände täglich fragen lassen und das einem Mann von Ehre so unentbehrlich ist als eine Löwenhaut oder als seine eigene.« - »Und was war' das ums Himmels Willen?« fragt' ich.

»Konservazionshäutchen!!!« versetzte der Satan.   - Jean Paul, Auswahl aus des Teufels Papieren. Frankfurt / M. Berlin 1991 (zuerst ca. 1784/89)

 

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