Terroristin  Maria Benevskaja, die mir schon seit der Kindheit bekannt war, entstammte einer adeligen Offiziersfamilie. Rotwangig, groß, mit hellen Haaren und lachenden blauen Augen überraschte sie durch ihre Lebensfreude und Fröhlichkeit. Aber hinter diesem sorglosen Äußeren verbarg sich eine konzentrierte und sehr gewissenhafte Natur. Die Frage nach der moralischen Rechtfertigung des Terrors beunruhigte die Benevskaja. Als gläubige Christin, die sich nicht vom Evangelium getrennt hatte, war sie auf irgendwelchen unbekannten und verschlungenen Wegen zur Billigung der Gewalt und zur Notwendigkeit der persönlichen Teilnahme am Terror gelangt. Ihre Ansichten waren deutlich von ihrem religiösen Bewußtsein gefärbt, und ihr persönliches Leben, ihr Verhältnis zu den Genossen in der Organisation trug denselben Charakter christlicher Sanftmut und tätiger Liebe. Im engeren Sinne der terroristischen Praxis hat sie sehr wenig vollbracht, aber in unser Leben hat sie einen Strom lichter Freude hineingetragen, und für manche auch quälende moralische Fragen.   

Eines Tages in Helsingfors stellte ich ihr die übliche Frage: »Warum beteiligen Sie sich am Terror?«

Sie gab mir nicht sofort eine Antwort. Ich sah, daß sich ihre blauen Augen mit Tränen zu füllen begannen. Sie ging schweigend zum Tisch und öffnete das Evangelium.

»Warum ich mich am Terror beteilige? Das ist Ihnen nicht klar? ›Denn wer seine Seele erhalten will, der wird sie verlieren, wer aber seine Seele verliert um meinetwillen, der wird sie finden.‹« Sie schwieg ein wenig. »Sie verstehen, der verliert nicht das Leben, sondern die Seele...«  - Boris Savinkov, Erinnerungen eines Terroristen. Nördlingen 1985 (Die Andere Bibliothek, zuerst 1917/18)

 

Terror

 

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