ermitenbau  Der Capitaine Materne sei  streng. Der sperre die Mädchen ein, die sich mit den Männern einließen. Aber er, der Korporal, der sei nicht wie die andern; das wisse sie. Dabei streichelte sie Lös' Hand und leckte sie wie ein kleiner Hund.

Sie kamen zum Ksar. Die hohen fensterlosen Lehmmauern blendeten ockergelb, beschienen von der Sonne, die schon tief stand. Im Staub spielten Kinder, die Gesichter waren mit Schorf bedeckt, viele Augen mit Eiter verklebt. Sie starrten auf die fremde Gestalt in Khaki und Wickelgamaschen und liefen dann schreiend davon. Ein dunkler Gang führte in das Innere des Dorfes, das ein einziger zusammenhängender Bau war, ein riesiger Termitenbau; dunkle Gestalten strichen an ihnen vorbei, nicht zu erkennen in der schmierigen Dämmerung. Lös dachte an das Verbot, an die Erzählungen, die umgingen, von Raubanfällen, er dachte an das Geld, das er bei sich trug. Aber er fühlte keine Angst. Er hatte sich mehr gefürchtet, als er die Schultern des Mädchens geküßt hatte.

Eine steile Holztreppe führte in ein Zimmer, in dem es erstickend roch. Zeno stieß einen Laden auf, und Strahlenbüschel durchstachen blauen Rauch. In einer Ecke lag ein kleines Mädchen auf einem Haufen Stroh, über ihr saßen auf Stangen etliche Hühner. Die plötzliche Helligkeit weckte sie auf, sie flatterten zu Boden und liefen gackernd umher.

Und Zeno stieß nun eine hohe Tür auf. Sie gab den Blick frei auf eine weite Terrasse. In durchsichtigen Kugeln schwebte der Rauch ins Freie, aber als unverrückbarer schräger Balken lagen die Strahlen vom Fenster zum Fußboden.

Inmitten der Terrasse hockte auf einer Alfamatte ein uralter Mann. Auf dem Scheitelpunkt des sonst glattrasierten Schädels wuchs ein langer grauer Haarschopf und lud Allahs Hand ein, zuzugreifen und den daranhängenden Körper mitzuziehen, hinauf, in eine reichere Welt. Denn der Mann war mager und unterernährt. Als er Lös' Schritte hörte, blickte er auf und ließ seine Zehen fahren, mit denen er gedankenvoll gespielt hatte. Lös erinnerte sich an seine Karl May-Lektüre und sagte: «La illah Allah, Mohammed rassuhl Allah.» Dabei verneigte er sich tief. Es schien zu stimmen, denn der alte Mann lächelte mit breiten Pferdezähnen, murmelte etwas wie: «Mlech, mlech», streckte eine schmale Hand aus, berührte nur leicht die des anderen mit den Fingerspitzen, führte dann den Zeigefinger an die Lippen und wies mit einer sanften Gebärde nach oben. Zeno erschien und zeigte ihr neues Kleid. Dazu schnatterte sie laut und aufgeregt. Das Lächeln des Alten zog sich tief in die Wangen, er deutete mit der Hand auf die Matte. Auch Lös wollte höflich sein. Er zog die Schuhe aus, rollte die Wadenbinden ab und stellte alles ordentlich an den Rand des Daches. Dann setzte er sich neben den Alten.

Dieser zog aus seinem groben Wollmantel eine fingerhutgroße Pfeife aus rotem Ton und füllte sie mit einem feingepulverten graugrünen Kraut. Er rief etwas ins Zimmer. Zeno kam mit einem zerbeulten Blechbecken zurück, das mit Glut gefüllt war. Eine Teekanne stand darauf, aus weißem Metall, mit grob eingeritzten Ornamenten. Der Alte legte eine Kohle auf die Pfeife, zog einen Zug tief in die Lungen und gab sie weiter an den Gast. Der folgte dem Beispiel. Der Rauch schmeckte scharf und duftend, so wie Tabak manchmal schmeckt an einem qualmenden Feuer.  - (gou)

Termitenbau (2)  Manche versuchten, die großen Termitenhaufen des Hades bewohnbar zu machen: scheinbar nicht schwierig, da sehr viele von ihnen völlig entleert und geräumig genug, zwei oder drei Männer mittlerer Größe aufzunehmen; was sich jedoch in Kürze als nicht durchführbar zeigte, und zwar aus zweierlei Gründen: an erster Stelle waren sie von verstorbenen Termiten verseucht, die dort die Nacht verbrachten, zirpend, kichernd, die üblichen dreckigen Scherze der Geister betreibend; sei's drum, das hätte man vielleicht noch ertragen, das Kratzekratze der dämlichen Toten. Aber man stellte fest, daß die Termitenhügel in einem unterirdischen Netz von Gräben und Durchgängen wurzelten, einem Labyrinth oder U-Bahnnetz, das ununterbrochen von armen und unvernünftigen kleinen Ungeheuern durchlaufen wurde: von Blindschleichen, von Fledermäusen mit gestutzten Flügeln. Letztere waren es, die schließlich die Bewohner von ihren Friedhofstermitenhügeln vertrieben; nicht daß sie etwas unternommen hätten, denn sie waren umgängliche und sanfte Tiere, immer bereit, an der Hand des Hadesreisenden ihr pelziges, schüchternes Mausköpfchen zu reiben ohne Arg: aber diese Flügel ließen einen erschauern; sie trugen sie gestutzt, an den Körper gelegt, fast ausgerissen und gleichzeitig mit grobem Messer verwundet; und rings um die scheußliche Verstümmelung zeigten sie ihr trauriges Blut, geronnen, schwarz, schmutzig; und man stelle sich weiterhin vor, daß immer irgendein lästiges Knorpelstück herunterhing, weswegen sie nicht laufen konnten, außer unter großen Schmerzen; und das taten sie, ganz gelind. Alles sichere Anzeichen für die Anwesenheit eines chtonischen göttlichen Wesens, das im Mittelpunkt des dunklen Labyrinths eingeschlossen war oder dem doch der Zugang dorthin offenstand, dem ruchlosen Vergewaltiger; und vor ihm ängstigten sich die Menschlichen; nicht vor dem Leiden; davor, daß sie entführt werden könnten, festgehalten im Bodenlosen, um nie mehr zum Hades aufsteigen zu können.   - (nieder)
 
 

Wohnung Termiten

 

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