emperamente  Soll ich mein Glaubensbekenntnis über die vier Haupt=Temperamente ablegen; so muß ich aus Ueberzeugung Folgendes sagen:

Blos cholerische Leute flieht billig Jeder, dem seine Ruhe lieb ist. Ihr Feuer brennt unaufhörlich, zündet und verzehrt, ohne zu wärmen. Blos Sanguinische sind unsichre Weichlinge, ohne Kraft und Festigkeit; Blos Melancholische sind sich selbst, und blos Phlegmatische anderen Leuten eine unerträgliche Last.

Cholerisch-sanguinische Leute sind die, welche in der Welt sich am mehrsten bemerken, gefürchtet, welche Epoche machen, am kräftigsten würcken, herrschen, zerstöhren und bauen; cholerisch=sanguinisch ist also der wahre Herrscher=, der Despoten=Charakter; aber noch ein Grad von melancholishem Zusatze! und der Tyrann ist gebildet.
Sanguinisch=Phlegmatische leben wohl am glücklichsten, am ruhigsten und ungestörtesten, geniessen mit Lust, mißbrauchen nicht ihre Kräfte, kränken niemand, vollbringen aber auch nichts Großes; allein dieser Charakter im höchsten Grade artet in geschmacklose, dumme und grobe Wollust aus.
Cholerisch=Melancholische richten viel Unheil an; Blutdurst, Rache, Verwüstung, Hinrichtung des Unschuldigen und Selbstmord sind nicht selten die Folgen dieser Gemüthsart.
Melancholisch=Sanguinische zünden sich mehrtentheils an beyden Enden zugleich an, reiben sich selbst an Leib und Seele auf.

Cholerisch=phlegmatische Menschen trifft man selten an; Es scheint ein Wiederspruch in dieser Zusammensetzung zu liegen; und dennoch giebt es deren, bey welchen diese beyden Extremen, wie Ebbe und Fluth abwechseln, und solche Leute tagen durchaus zu keinen Geschäften, zu welchen gesunde Vernunft und Gleichmüthigkeit erfordert werden. Sie sind nur mit äußerster Mühe in Bewegung zu setzen, und hat man sie endlich in die Höhe gebracht, dann toben sie, wie wilde Thiere, umher, fallen mit der Thür in das Haus, und verderben alles durch rasenden Ungestüm.

Melancholisch=Phlegmatische Leute aber sind wohl unter allen die unerträglichsten, und mit ihnen zu leben, das ist für jeden vernünftigen und guten Mann Höllenpein auf Erden. - (kni)

Temperamente (2) Von den vier Complexionen Complexion und Natur, die der Mensch an sich hat, sind viererlei. Etlicher hat zwei, etlicher drei, etlicher vier. Doch nimmt die eine überhand, die der Mensch am allermeisten hat, und kein Mensch hat eine allein.

Doch schreibt man uns zum ersten von dem Melancolico, und der gleichet dem Erdreich; denn die Erde ist kalt und trocken, als die Zeichen vom Ochs, Steinbock und der Jungfrau. Er wird auch vergleichet dem Herbst, denn der ist kalt und trocken. Zu dem andernmal merk und nimm wahr, daß der Melancolicus ist furchtsam und nicht durstig, denn er mangelt der Sachen der Durstigkeit: das ist Wärme. Zu dem drittenmal ist gut zu wissen, daß der Melancolicus ist träg und eines trägen Laufs,  denn er ist kalter Natur. Zu dem viertenmal ist zu wissen, daß der Melancolicus von wegen der Eigenschaft der Kälte ist hässig, traurig, vergessen, trag und unbehend. Zu dem Fünften ist der Melancolicus von seiner Eigenschaft, daß er wenig begehrt und mag auch nicht viel. Er begehrt wenig, von seiner Traurigkeit wegen, und mag wenig, von seiner Kälte wegen, und gleichet sich auch dem Planeten Mars und der Sonnen.

Der Flegmaticus wird vergleichet dem Wasser, denn das Wasser ist kalt und feucht, wie der Flegmaticus. Denn der Flegmaticus gleichet dem Zeichen Zwilling, Waag, Wassermann und Fisch mit seiner Natur. Zu dem andernmal, so nehmet wahr die Eigenschaft des Flegmaticus: Sie sind stumpfen Sinnes und schlafen viel und sind träg. Sie sind grob mit ihren Sinnen, sind feist und weiß unter dem Antlitz und treiben gern Saitenspiel. Und gleichen sich auch dem Planeten Venus und dem Mond mit ihrer Natur.

Der Sanguineus ist mild, denn er ist hitzig und feucht, darum sind die Leut fast krank und siech. Denn sie sind kalt von der Eigenschaft der Kälte, die sie zu sich ziehen, und gestärket von der Eigenschaft der Hitze. Sie sind milde Buhler und Buhlerinnen, und fröhlich und lachen gern und sind rot unter dem Antlitz und singen gern und sind etwa kühn und haben viel Fleisch und sind etwa frech und tugendhaft und sind zugeneigt dem Jupiter.

Der Colericus ist wild, denn die Feuchtigkeiten zünden ihm das Blut um das Herz und machen ihn gelb unter dem Antlitz. Und darum sind die Colerici gar durstig und werden dem Sommer vergleichet, heiß und trocken, und werden vergleichet der Untugend. Die Complexion ist dreifältig. Die erste ist hitzig, sie haben ein bleiches Antlitz, sind durstig, mutig, unerschrocken; die Leute weinen gern, wenn sie trunken sind. Die ander ist: Sie haben ein rot Antlitz, gemischet mit Gelb, sind fast zornig, hager und dürr, und durch die Zeit rot unter dem Antlitz und an den Backen und gewöhnlich braun an dem Leib und anderswo. Und auch nicht alle gleichen sich mit ihrer Natur dem Planeten Mercurio und Saturno und ihren Zeichen: Das ist der Löwe, der Widder und der Schütz. - (kal)

Temperamente (3)  Schon EMPEDOKLES lehrt die Abhängigkeit der Erkenntnisschärfe von der Mischungsweise des Blutes. Begründer der Temperamentenlehre ist HIPPOKRATES. Nach ihm bestehen die Temperamente in Mischungsweisen der vier »Säfte« (humores) bezw. Qualitäten. je nach dem Überwiegen eines dieser Säfte oder einer Säftecombination ist die Gemütsart verschieden. Mischungsverhältnisse der Elemente zieht PLATO zur Erklärung von geistigen Eigenschaften heran. Auf die Temperamentenlehre beziehen sich mehrfach ARISTOTELES, ferner die Stoiker, LUCREZ, PLUTARCH, THEMISTIUS u. a. - Die Lehre des Hippokrates bildet GALEN aus. Gelbe Galle (cholê, »calidum siccum«), schwarze Galle (melaina cholê, »frigidum siccum«), Schleim (phlegma, »frigidum humidum«), Blut (»sanguis«, »calidum humidum«) und binäre Kombinationen bedingen acht bis zwölf Temperamente (Intemperamente, dyskrasiai. dazu die eukrasia), von denen besonders einseitig sind das cholerische, melancholische, phlegmatische, sanguinische Temperament. - Diese Lehre findet sich auch im Mittelalter, so bei dem Byzantiner JOHANNES, bei den »lauteren Brüdern«, AVICENNA, AVERROËS u. a. Später auch bei MELANCHTHON, nach welchem das Temperament »congenita qualitatum primarum inter se convenientia vel excessus« ist. Anstatt der »Säfte« zieht PARACELSUS die Prinzipien Salz, Schwefel, Mercur heran. Vier Temperamente unterscheidet J. BÖHME. Nach STAHL beruhen die Temperamente auf dem Verhältnis der festen zu den flüssigen Teilen des Leibes (sanguinisches, cholerisches, phlegmatisches, melancholisches Temperament. De temper.). so auch FR. HOFMANN, RÜDIGER u. a. Nach ROHR ist Temperament »eine Vermischung des Geblütes und der übrigen flüssigen Teile in dem menschlichen Körper, vermöge dessen nicht allein unterschiedene natürliche Wirkungen in unserem Leibe, sondern auch moralische in der Seele gezeugt werden«. HALLER leitet die vier Temperamente aus der Stärke und Reizbarkeit der Nervenfibern ab. Nach HOLBACH ist das Temperament des Menschen, »l'état habituel où se trouvent les fluides et les solides dont son corps est composé«. Nach FEDER gibt es sechs Temperamente. Eine neue Temperamentenlehre stellt PLATNER auf. Problem der, »psychologischen Temperamentenlehre« ist: »Wie entstehen aus den materiellen Verschiedenheiten des ersten Seelenorgans und aus seinen verschiedener Verhältnissen mit dem andern die verschiedenen Richtungen und Grade des Erkenntnis- und Willensvermögens«. Vom Willensvermögen sind die Verschiedenheiten des Erkenntnisvermögens größtenteils abhängig. Im Menschen mischt sich Geistiges und Körperliches (Tierisches) in verschiedenen Verhältnissen: »Viel geistige Kraft, wenig tierische. wenig geistige, viel tierische. viel geistige und viel tierische zugleich. wenig geistige und wenig tierische Kraft.« Daraus entstehen vierlei Haupt-Temperamente, »Hauptbestimmungen der menschlichen Natur«.

Diese sind: Das attische (geistige), lydische (tierische), römische (heroische), phrygische (kraftlose). Außer Stärke und Schwäche sind Lebhaftigkeit, Leichtigkeit, Geschwindigkeit wichtig. - Rudolf Eisler, Wörterbuch der philosophischen Begriffe (1904)

Temperamente (4)

Vier Temperamente

- (lav)

Menschengruppen (psychisch) Menschenforschung Charakter Gemüt

Oberbegriffe

zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

 

{?}

VB

Synonyme

Säfte

Temperamenteblehre