eleologie
Es ist erwiesen, daß die Dinge gar nicht anders sein
können, als sie sind. Denn sintemal alles zu einem ganz bestimmten Zweck geschaffen
ist, so ist alles notwendigerweise zum allerbesten Zweck
erschaffen. Merkt also wohl auf: die Nasen sind zum Brillentragen
da, und so tragen wir denn Brillen. Offensichtlich
sind die Beine dazu geschaffen, daß man Strümpfe, Schuhe
und Hosen daran trägt, und somit haben wir Schuhe,
Strümpfe und Hosen an. Die Steine sind gewachsen, damit man sie behauen und
daraus Schlösser erbauen kann, und deswegen hat der gnädige Herr ein wunderschönes
Schloß. Der fürnehmste Baron in der ganzen Provinz muß auch die schönste Wohnstatt
haben. Und dieweil die Schweine dazu gemacht sind, daß man sie aufißt, so essen
wir auch Schweinefleisch jahraus, jahrein.
- Voltaire, Candide
oder der Glaube an die beste der Welten, nach (
vol2
)
Teleologie
(2) Das Wasser ist dazu
ausersehen, „jene wunderbaren schwimmenden Gefährte zu tragen, die man
Schiffe nennt". - Fénélon, nach
(sot)
Teleologie
(3) Die Erschaffung der Steinkohle hatte
zum Ziel, dem Menschen späterhin Wärme zu spenden.
- Cuvier, Abhandlung über die Umwälzungen der Erdrinde [1812],
nach
(sot)
Teleologie (4) »Eine Ursache muß aber doch vorhanden sein!«
Bouvard zweifelte an der Kausalität. »Daraus, daß eine Erscheinung auf eine andere folgt, zieht man den Schluß, daß sie von ihr herrührt. Liefert mir den Beweis!«
»Aber der Anblick des Weltalls deutet auf einen Zweck, einen Plan hin!«
»Wieso? Das Übel ist genauso vollkommen organisiert wie das Gute. Der Wurm, der im Kopf eines Hammels wächst und ihn umbringt, hat anatomisch gesehen denselben Wert wie der Hammel selbst. Die Monstrositäten sind zahlreicher als die normalen Funktionen. Der menschliche Körper könnte besser konstruiert sein. Drei Viertel des Erdballs sind unfruchtbar. Der Mond, diese Himmelsleuchte, zeigt sich nicht immer! Glaubst du etwa, der Ozean sei für die Schiffe und das Holz der Bäume für die Heizung unserer Häuser bestimmt?«
Pécuchet antwortete: »Aber der Magen ist doch zum Verdauen da, das Bein zum
Gehen, das Auge zum Sehen, wenn es auch Verdauungsstörungen, Beinbrüche und
grauen Star gibt. Keine Einrichtung ohne Zweck! Ihre Wirkungen treten früher
oder später ein. Alles beruht auf Gesetzen. Folglich gibt es zweckbestimmte
Ursachen.« - (bouv)
Teleologie
(5) Ein Zoologe fragt, wozu der Habicht
Schnabel und Klauen
hat, wenn nicht dazu, die Taube zu töten. Nun, kann man antworten, der Schnabel
des Habichts, welcher der Klaue des Hummers gleicht, kann zur Zierde da sein,
denn er steht so hübsch in seiner krummen Linie zu dem kleinen Kopf, und die
Klauen können den gleichen unschuldigen Zweck gehabt haben oder geeignet gewesen
sein, einen Zweig zu umfassen. Der Papagei hat auch Schnabel und Klauen des
Raubvogels, frißt aber Früchte und klettert mit dem Schnabel. Von inneren Unterschieden
zwischen dem fruchtfressenden und fleischfressenden Vogel weiß ich nichts, so
daß gegen des Habichts ursprünglich mildere Gewohnheiten nichts in seiner „Morphologie"
spricht. - (blau)
Teleologie
(6) Wenn ich Rentner
wäre, mit einer Rente von fünfzigtausend Francs, versteht sich, dann dächte
ich vielleicht anders. Vorläufig aber bin ich der Meinung, der Mensch sei eine
Maschine, die eigens dafür geschaffen worden ist, Schmerz
zu empfinden; der Mensch hat nur fünf Sinne, um das Wohlbefinden wahrzunehmen,
für den Schmerz dagegen ist er an der ganzen Oberfläche seines Körpers empfänglich;
wo man ihn sticht, blutet er; wo man ihn brennt, bildet sich eine Blase: Die
Lungen, die Leber, die Eingeweide vermögei ihm keinerlei Genuß zu verschaffen;
und dennoch entzündet sich die Lunge und macht ihn husten; die Leber schwillt
an und läßt ihn fiebern; die Därme verschlingen sich und verursachen Koliken.
Ihr habt nicht einen Nerv, nicht einen Muskel, nicht eine Sehne unter der Haut,
die euch nicht vor Schmerz schreien lassen könnten. - Claude Tillier,
Mein Onkel Benjamin, nach
(enc)
Teleologie (7) FRANZ. Es is kei Ordnung! Was hat der Laternputzer vergessen mir die Augen zu fegen, Js is alles finster. Hol der Teufel den lieben Herrgott. Ich Heg mir selbst im Weg: meine Fuß über mich springen. Wo ist mein Schatten hingekommen? Keine Sicherheit mehr im Stall. Leucht mir einmal mit dem Mond zwischen die Beine, ob ich mein Schatten noch hab.
Fraßen ab das grüne, grüne Gras,
Fraßen ab das
grüne, grüne Gras
Bis auf den Ra-a-sen.
Sternschnuppe, ich muß dem Stern die Nas schneuzen. ... Gesellen, ... sandige, Mauer • und empfiehlt sich mit •• Kindern.
Mach kein Loch in die Natur.
» Warum hat Gott die Menschen geschaffen? Das hat auch sein Nutzen.
Was •würde der Landmann, der Schuhmacher, der Schneider anfangen, wenn er für
die Menschen keine Schuhe, keine Hosen machte? Warum hat Gott den Menschen das
Gefühl der Schamhaf-tigkeit eingeflößt? damit der Schneider leben kann. Ja!
Ja! Also -darum! auf daßI damit! Oder aber, wenn er es nicht getan hätte -aber
darin sehen wir seine Weisheit, daß er den Menschen noch die Pflege und Geruch
erschaffen daß auch die viehische Schöpfung das menschliche Ansehen hätte, weil
die Menschlichkeit sonst das Viehische aufgefressen hätte. Dießer Säugling,
dießes schwache, hülflose Geschöpf, jener Säugling, - Laßt uns jetzt über das
Kreuz pissen, damit ein Jud stirbt. - Branntwein, das ist mein Leben, Branntwein
gibt Courage. - Georg Büchner, Woyzeck (Entwürfe)
Teleologie
(8)
Teleologie
(9) »Erklären« heißt in der Wissenschaft immer nur etwas auf Ursachen zurückzuführen, es aus diesen Ursachen abzuleiten. Ursachen aber stehen zeitlich immer und ausnahmslos vor den Wirkungen,
die sich aus ihnen ergeben. Daher kann eine Ursache zwar eine Folge
haben. Keine Macht der Welt ist aber imstande, einen Einfluß welcher Art
auch immer zwischen einer Wirkung und der ihr zugrundeliegenden Ursache
herzustellen. Der Weg führt immer und ausschließlich von der Ursache
zur Wirkung. In umgekehrter Richtung gibt es keine Verbindung. Dies
besagen die unaufhebbaren Gesetze der Logik. Daher »weiß« eine Ursache
nichts von der Wirkung, die sie haben wird. Und daher kann man einen
Vorgang niemals durch das Ergebnis »erklären«, das er herbeiführt. Es
macht die ganze Größe, aber auch die Beschränkung der Naturwissenschaft
aus, daß sie mit einem so beschaffenen begrifflichen Instrumentarium vor
der Aufgabe steht, eine Natur erklären zu müssen, in der es Leben gibt.
Eine Natur also, in der Evolution
abläuft als ein Prozeß, bei dem, rückblickend betrachtet, mit
lückenloser Folgerichtigkeit immer kompliziertere organische Strukturen
entstehen, mit immer leistungsfähigeren Funktionen und zunehmender
Selbständigkeit gegenüber der nicht belebten Umgebung.
- Hoimar von Ditfurth, Im Anfag war der Wasserstoff. München 1981 (zuerst 1972)
|
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
|
|
|
![]() ![]() |
![]() ![]() |
|
|