elefonleitung Ich
nahm den Hörer ab. Kälter erschien er mir, als er in Wirklichkeit war, stumm
vor einer gleichgültigen Wand. Ich führte ihn mit keiner größeren Erwartung
als eine zerbrochene Uhr ans Ohr und drückte auf den Knopf. War das ein Klingeln
im Kopf oder nur die Erinnerung an einen Laut, aber ich zuckte zusammen, hörte
das Summen einer Fliege, jenes Vibrieren elektrischer
Leitungen, das dem Gesumm der Insekte ähnelt, das sich aber unter diesen Umständen
eben als Absurdität erwies, so wie dieses ganze Vorhaben.
Der bohrende Wunsch, zu verstehen, zernagt wie ein Wurm sogar den Marmor
einer Skulptur und beraubt alle Empfindungen, die aus geheimnisvollen Quellen
fließen, der Kraft. Der brennende Wunsch, das Unverständliche zu verstehen,
gehörte nicht zu meinen Tugenden. Aber ich unterzog mich einer Prüfung. Ich
nahm den Hörer ab, vergegenwärtigte mir in der Vorstellung dieses charakteristische
Geräusch und hörte es wieder, als ich erneut den Hörer ans Ohr legt. Das Geräusch
zuckte nicht, riß nicht ab, wurde nicht schwächer und auch nicht stärker. Im
Hörer summte, ganz gewöhnlich, ein unsichtbarer Raum, der auf einen Kontakt
wartete. Trübe und seltsame Bilder erschienen vor meinen Augen, so seltsam wie
das Surren in der Leitung, die in diesem toten Haus noch funktionierte. Ich
sah die Knoten verwickelter Leitungsdrähte, zerzaust von Stürmen, und doch an
unsichtbaren Stellen ihres Chaos eine Verbindung zulassend. Elektrische Funkenbündel,
die über den gekrümmten Rücken über die Dächer springender Katzen hochschnellten;
magnetische Lichtstrahlen von Straßenbahnlinien; Gewebe und Herz der Materie
in Form spitzeckiger, futuristischer Zeichnungen. Solche Hirngespinste dauerten
nicht länger als der Schlag eines Herzens, das sich aufgebäumt hatte; es schlug
und klopfte in einer unübersetzbaren Sprache die Gefühle dunkler Mächte. - Alexander Grin, Der
Rattenfänger. In: Phantastische Welten, Hg.
Franz
Rottensteiner. Frankfurt am Main 1984 (Phantastische Bibliothek 137)
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