eilhaber, stille  Ich verdiente in San Francisco nicht ganz so gut wie ich wollte; ich war zwar in diesem Geschäft, um gut zu verdienen, und ich konnte auch einen ganz anständigen Kontoauszug aufweisen. Aber die Polizei und die Politiker preßten die Bordelle mit den Schutz- und Schweigegeldern aus, wie sie nur konnten. Ich mußte für jedes Mädchen, das bei mir arbeitete, eine bestimmte festgesetzte Summe an Bestechungsgeldern zahlen. Das Rathaus bekam einen schönen Anteil am Getränkeumsatz. Und eine Zeitlang (bis ich den Sohn eines hohen Tiers von seinem Tripper, den er sich bei einem Collegemädchen geholt hatte, befreite, indem ich ihn zum richtigen Arzt schickte) nahm die Polizei das ganze Trinkgeld des Klavierspielers. Ich konnte es ihnen nicht übelnehmen. In den großen Städten hatte jeder seine Hand in den Geldkassen.

Immerhin, ich kannte Richter und Mitglieder des Staats- und Bundesrates; während andere schwer bezahlen mußten, brauchte ich an die kleinen Polizeibeamten, Streifenpolizisten, Detektive, Schnellrichter, Reporter (für einige gab's eine Gratisnummer) und Feuerwehrleute weniger zu zahlen. Außerdem war ich an die menschliche Gier gewöhnt und daran, daß manche Leute, die an der Macht waren, ihre offiziellen Stellen ausnutzten. Ich habe niemanden aus der Politik gekannt - und ich habe sie alle bei mir gehabt, angefangen vom Vizepräsidenten -, der nicht auf Macht aus war, auf Geld oder das Vorrecht, andere Leute herumzukommandieren. Man soll nicht sagen, daß ich. nur an die Schlechten gekommen bin. Ich könnte eine Liste von lilienweißen Reformisten und Gesetzesmachern aufstellen, Mengen von ihnen, die dem Staatsadler Tränen entlocken konnten, wenn sie bei großen Versammlungen und Kundgebungen am 4. Juli von der Liebe zu ihrem Land sprachen. Aber auch sie wollten ihren Freifick.   - Nell Kimball, Madame - Meine Mädchen, meine Häuser. Hg. Stephen Longstreet. Frankfurt am Main, Wien und Berlin 1982 (entst. ca. 1917-1932)