echnikmuseum Im Luftfahrtmuseum schloß ich mich einer Führung an, die sich zum vorgesehenen Zeitpunkt des Treffens der Lilienthalschen Flugmaschine näherte. Der uns begleitende Ingenieur strich über die Flügelflächen der Maschine und bemerkte, daß sie den ausgebreiteten Fittichen eines schwebenden Vogels glichen. »Als Gestell diente Weidenholz«, erklärte der Ingenieur, »als Bezug mit Wachs getränkter Schirting. Festgehalten und gehandhabt wurde der Apparat dadurch, daß man beide Unterarme in entsprechende Polsterungen des Gestells legte und zwei Handgriffe anfaßte .. .« Der Ingenieur machte uns auf die Reinheit der Materialien des Gleiters aufmerksam, dessen sinnfällige technische Konstruktion sich im Ausgleich mit der Natur befinde, Lilienthals Fliegertod sei noch ein natürlicher gewesen, ein reines Naturverhängnis aus dem Zusammenspiel von Luft, Holz und Wachs, das den für den Menschen unnatürlichen Schwebezustand in einen amorphen Zustand transformiert habe.
Der Ingenieur legte die Unterarme in die Polsterungen
des Gleiters und trat mit ihm ans Fenster, dessen mächtige Flügeltüren von einem
Museumsdiener geöffnet wurden, und ohne zu zögern setzte er ab, um in das tief
unter uns liegende, weit ausgedehnte Stadtgebiet zu segeln. Wir hatten uns am
Fenster versammelt, weniger um den Flug als vielmehr den von uns in Gedanken
schon vorweggenommenen Absturz zu bestaunen, doch gelang es dem Luftschiffer
(Tovote, Wilbur, Lilienthal), seine Stellung zu korrigieren, die in der Luft
pendelnden Beine einzuziehen und eine horizontale Lage einzunehmen, in der er,
hoch über den Dächern und Kirchtürmen der Stadt schwebend, unseren Blicken entschwand.
- Martin Roda Becher, Im Windkanal der Geschichte. In: Phantastische Welten, Hg.
Franz
Rottensteiner. Frankfurt am Main 1984
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