ausch  Pseudo-Plutarch (Parallela Graeca et romana in: Plutarch 30, S. 312 E) beschreibt, wie die Armee von Sardes die Stadt Smyrna belagerte, so daß am Ende keine Hoffnung auf wirksamen Widerstand mehr bestand. Die Sarden versprachen, die Belagerung aufzugeben, wenn die Smyrnaer ihnen die Frauen auslieferten. Schon wollten die Smyrnaer nachgeben, als die Sklavin des Villarchos, Andryke, eine List vorschlug. Schon länger hätten die Sklavinnen Smyrnas gern mit den Herrinnen getauscht. Im Namen aller Sklavinnen Smyrnas schlug Andryke deshalb vor, sie sollten sich als freie Frauen verkleiden und das Interesse der Sarden auf sich ziehen.

Der Tauschhandel war für alle Beteiligten günstig, da auch für die Sarden — an sich wurden sie betrogen — die ehemaligen Herrinnen unbrauchbar gewesen wären, wenn sie wie Trauerklöße auf Schiffen gehockt hätten. - (klu)

Tausch (2) Es gibt da in Itil, der chasarischen Residenz, einen Ort, wo zwei (einander vielleicht ganz unbekannte) Menschen, wenn sie aneinander vorübergehen, fortan wechselseitig Namen und Schicksal des anderen übernehmen und das Leben in getauschten Rollen fortsetzen, als hätten sie die Mützen getauscht. - (pav)

Tausch (3) Das Interessante an der Grenznutzentheorie ist nicht ihre ausgesprochen schwache ökonomische Theorie, sondern ihre logische Kraft, die zum Beispiel aus Jevons eine Art Lewis Carroll der Ökonomie macht. Nehmen wir zwei abstrakte Gruppen, von denen eine (A) Korn gibt und Äxte erhält, und die andere (B) umgekehrt. Worauf beruht die gemeinsame Bewertung der Tauschgegenstände? Sie beruht auf der Vorstellung von den letzten Gegenständen, die man erhalten hat, oder vielmehr auf beiden Seiten erhalten kann. Unter dem "Letzten" oder "der Grenze" sollte man weder das zeitlich Letzte noch das Äußerste verstehen, sondern das Vorletzte, mit anderen Worten das Letzte bevor der scheinbare Tausch für die Tauschenden jedes Interesse verliert oder sie dazu zwingt, ihr wechselseitiges Gefüge zu modifizieren, in ein anderes Gefüge einzugehen. Wir nehmen an, daß die Gruppe A der Sammler und Ackerbauern, die Äxte erhält, eine "Vorstellung" von der Anzahl der Äxte hat, die sie dazu zwingen würde, das Gefüge zu wechseln; und die Hersteller der Gruppe B von der Menge an Köm, die sie zwingen würde, das Gefüge zu wechseln. Man könnte also sagen, daß das Verhältnis Korn-Äxte durch die letzte Menge Köm (für die Gruppe B) bestimmt wird, die der letzten Axt (für die Gruppe A) entspricht. Das Letzte als Gegenstand der gemeinsamen Bewertung bestimmt den Wert der gesamten Reihe. Es bezeichnet genau den Punkt, an dem das Gefüge reproduziert werden muß, einen neuen Durchlauf oder Zyklus beginnen muß, sich in einem anderen Territorium verankern muß, einen Punkt, über den hinaus das Gefüge als solches nicht mehr weiterbestehen kann. Es ist also ein Vorletztes, weil es vor dem Letzten steht. Das Letzte ist, wenn das Gefüge seinen Charakter ändern muß: B müßte das überschüssige Korn aussäen, A müßte das Tempo seiner eigenen Aussaat beschleunigen und auf demselben Gebiet bleiben. -  Deleuze / Guattari, Tausend Plateaus. Berlin 1992 (zuerst 1980)

Tausch (4)  Die Eheweiber werden häufig vertauscht, und oft wird ein Draufgeld gegeben. Schäffer erzählt, daß ein Ehemann bei einem Weibertausch einen Pudel, ein anderer fünf Gulden als Zugabe erhielt. Ein förmlicher Tauschvertrag, zwischen den Gaunern Maw und Wells abgeschlossen und untersiegelt, ist bei Smith abgedruckt; Maw gibt danach eine Dohle für Wells Weib weg; beide bezeichnen das Tauschobjekt als „unnützen beschwerlichen Hausrat" und entsagen feierlich allen und jeden Einreden gegen das Tauschabkommen. - (ave)

Tausch (5)  Ich  eröffnete dem Alten mein Anliegen, und er   machte sich lustig ob der Geringfügigkeit meines «Artikels», ja versuchte sogar, mich zu finstrerem Handel zu überreden, konnte mich aber nicht umstimmen. Da begann er zu prahlen, indem er erzählte, welch große Geschäfte in seinem Laden schon vor sich gegangen: Einmal sei einer gekommen, der habe begehrt, seinen Tod loszuwerden. Er hatte versehentlich Gift eingenommen und wußte, daß er bloß noch zwölf Stunden leben werde. Und der finstere Alte hatte ihm dienlich sein können: Ein Kunde war willens gewesen, den Artikel zu tauschen!

«Was aber hat er gegeben im Austausch gegen den Tod?» fragte ich.

«Das Leben», sagte der gräßliche Alte mit unterdrücktem Gelächter.

«Dann war's wohl ein schreckliches Leben», erwiderte ich.

«Das ging mich nichts an», versetzte der Ladeninhaber und klimperte lässig mit einer Handvoll Zwanzigfrancstücken in der Tasche. - Lord Dunsany, Das Bureau d'Echange de Maux. In: Ders., Das Land des Yann. Stuttgart 1983 (Bibliothek von Babel, Hg. Jorge Luis Borges)

Tausch (6)  Geben ist tatsächlich besser als nehmen. Der Akt des Gebens ist vielleicht der entscheidende Schritt auf dem Weg zu wahrhaft menschlichen Sozialbeziehungen: Er impliziert eine Verpflichtung, das Geschenk zu erwidern. Er begründet ein Verhältnis wechselseitiger Verbindlichkeiten, wie es in der Tierwelt unbekannt ist; er schafft ein Netz von Verbindlichkeiten und ausgedehnter Kreditsysteme; Dinge werden angeboten und geschuldet; es gibt Menschen, denen wir gegeben haben, und andere, denen wir geben müssen, Menschen, von denen wir etwas erwarten, und Menschen, die wiederum von uns etwas erwarten. Das System des Austauschs ist niemals ausgeglichen; irgendjemand schuldet irgendwem immer irgendetwas. Wenn alle Schulden gestrichen würden, dann gäbe es kaum noch soziale Beziehungen; aber sie werden nie alle gestrichen. Von sämtlichen bestehenden Sozialbindungen sind die zwischen Schuldner und Gläubiger für den Menschen am charakteristischsten, und sie weichen am stärksten von der grundlegenden Biogrammatik der Primatenbindung ab. Kein Affe hat jemals Schulden bei einem anderen Affen gehabt. - Lionel Tiger und Robin Fox, nach: Dieter E. Zimmer, Ko Maru kai atu ... in: Tintenfass 4, Zürich 1981

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