Tatortbesichtigung    Der Staatsanwalt blätterte in seiner Klemmappe. Ihnen zur Rechten ragte die massige Gestalt der Monti di Calvana auf, des Bergzugs, der diese Gegend von Prato weiter nördlich abgrenzte. Er sah schon bei schönster Witterung kalt und unwirtlich aus. Graue Wolkentürme zogen über seinen flachen Gipfel hinweg, und das Blau seiner Hänge war so dunkel, daß man es für Schwarz halten konnte. Der Maresciallo warf einen flüchtigen Blick auf das Kreuz und betrachtete danach die bedrohlich wirkende nasse Masse.

»Die sardische Linie der Ermittlungen...«, flüsterte Ferrini, als könne er die Gedanken des Maresciallo lesen.

Dort oben hausten, wie sie beide wußten, sardische Banditen und Schäfer in lichtlosen, längst verfallenen Hütten. Dort machten sie ihren Käse, versteckten Maschinengewehre, Pistolen, Chloroform, Entführungsopfer. Polizei kam nicht einmal in ihre Nähe, ohne nicht schon eine halbe Stunde im voraus gesichtet zu werden, und das Gelände war zu rauh und zu steinig, als daß man mit einem Hubschrauber hätte landen können. Es war ein finsterer Ort, so finster wie die durch das steinerne Kreuz markierte Stelle. Staatsanwalt Simonetti stand die ganze Zeit über mit dem Rücken zu diesem Kreuz und setzte seine durch und durch vernünftigen Ausführungen darüber fort, wie ein Mann zwei völlig Fremde überfallen und Teile des Frauenkörpers mitgenommen hatte.

»In diesem Fall war die Verstümmelung brutaler und umfassender, ein Teil des Darmtrakts wurde freigelegt und perforiert. Wie die Obduktion ergab, war ein großer Klumpen subkutanen Fetts in die Innenseite des Schenkels der Frau gestopft worden. Meine Herren, ich finde, wir alle sollten jetzt eine Pause einlegen und zu Mittag essen.«   - Magdalen Nabb, Das Ungeheuer von Florenz. Zürich 1997

Besichtigung Tatort

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

 

Synonyme