at, große  «Geh fort und verlasse mich! Hörst du nicht?» Und das Mädchen wiederum, ohne zu weichen: «Ich gehe nicht», und sie war nur etwas geblendet vom Erstrahlen der Klinge. Durch sie hindurch konnte Renato ihre Gestalt sehen, ein wenig getrübt und verzerrt wie in einem leicht bewegten Wasser. «Um nichts in der Welt werde ich jetzt gehen.» Und Renato wieder: «Ich will aber nicht! Ich will nicht geliebt werden», wobei er mit den Füßen stampfte und sein Schwert schwang. Zugleich dachte er: ‹Ob dies wohl die große Tat ist?› Und fuhr mit ruhigerer Stimme fort: «Höre, Mädchen: kleidet die Sonne nicht die Felder in ihre goldenen Strahlen, singen die Vögel nicht im Wald, rauschen nicht die Blätter und die Bäche, weht der Wind nicht ungehemmt über die Berggipfel? Was hast du schon mit mir in diesem Eulennest zu schaffen?» - «Aber die Sonne ist Ruß», erwiderte das Mädchen, «und die Felder sind Asche, die ganze Natur ist trist und stumm, du siehst es nur nicht, Renato!, weit weg, wie du bist.» - «Sieh auf dich selber!» rief Renato in einem eigenartigen Rausch und dachte: ‹Das ist die große Tat.› - «Nichts habe ich zu fürchten», sagte das Mädchen noch in Sanftheit.

Es waren ihre letzten Worte: Renato riß plötzlich die Waffe hoch und ließ einen mächtigen Streich auf das Mädchen niederfahren. Die Klinge drang widerstandslos durch den ranken Körper; aber das Mädchen stürzte nicht, es blickte unbewegt mit sanften Augen auf seinen Mörder, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Ihre weiße Stirn schien wie ein Morgengrauen gegen dunkle Fensterscheiben, darüber ferne Sterne der Nacht; und kein Anzeichen von der grauenhaften Wunde. Das Schwert jedoch, das Renato noch in der Hand hielt, schien in jenem Lilienkörper allen Glanz gelassen zu haben: im Nu war die vortreffliche Waffe aschfahl und düster wie ein verloschenes Holzscheit, fürwahr zu einer trübseligen und tristen Waffe geworden! Renato, dem der Rausch schlagartig vergangen war, sah verstört auf das regungslose Mädchen und hatte Angst, an sein eigenes Tun zu glauben. «Gott!» rief er. «Was habe ich getan!» und schleuderte die untaugliche Waffe weit fort.

Da wollte das Mädchen, obwohl in seinem Innersten ganz und gar durchschnitten, dem Geliebten zulächeln und ihn trösten. Das genügte. Ihr Gesicht begann sich zu spalten und ging langsam auseinander. Ein feiner, erst kaum wahrnehmbarer roter Strich zeigte sich zunächst oben im goldenen Haar bis zum Halse und dann weiter, immer weiter hinab über die Brust und die weiße Seide; und der Schnitt öffnete sich, und das Blut quoll heraus, nur ein wenig sprudelnd, insbesondere zwischen dem Haar. Das Lächeln war inzwischen zur grauenhaften Fratze, zu einem zweideutigen erschreckenden Grinsen geworden; der Schnitt durch den ranken Körper öffnete sich rasch; gespalten von der erbarmungslosen Klinge, wankte das Mädchen. Durch den Spalt lachten bereits die fernen nächtlichen Sterne; schneller als man sich's versah, fiel das zarte Mädchen, was für ein ungewohnter Anblick, vor seinem Mörder auf dem Boden auseinander. Und die zerteilten Gliedmaßen verband nur noch das stille Blut. - Tommaso Landolfi, Die Klinge. Nach (land)

 

Held Tat

 

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