Taschenspieler   Das Herz beruhigte sich. Aber in seinem Kopf wirbelten weiter die tollsten Phantasien. Sein Gehirn glich einem Karnevalsfest in einem Irrenhaus: die geschlossenen Augen sahen ein Dunkel, ein blaues Dunkel, in dem kalte Funken sich entzündeten, explodierten. Jeder Funke teilte sich in zwei Hälften, und aus jeder Hälfte bildeten sich neue, die sich ihrerseits wieder in leuchtende Kreise zerteilten. Einer dieser Funken breitete sich faserartig aus, zuckte wild, nahm sein ganzes Gesichtsfeld ein, saugte das Dunkel auf. Seine geschlossenen Augen waren voller Licht.

Und in diesem Licht formte sich ein beweglicher, elastischer Kreis zu einem Quadrat, dann zu einem Rechteck, dann zu einer dreidimensionalen Figur: ein schwarzes Parallelepiped mit einer, mit zwei, mit drei goldenen Seiten, ein Buch, die Bibel!

«Die Genesis... Was für ein Spaßvogel, dieser liebe Gott, was für ein großer Humorist, dieser gute Gott!...» dachte Tito, während sein Herz stark klopfte und im Bett widerhallte wie in einem Resonanzkasten... «Ein Spaßvogel, ein Humorist, dieser liebe Gott!...

Gott sprach:

Es werde Licht,
es werde der Himmel,
es werde das Gras,
es werden die Bäume,
es werde die Sonne,
es werden die Sterne, da es kein Gas gibt,
es werde Gas, wenn keine Sterne da sind,
es werden die Reptilien,
es werden die Vögel,
es werden die Haustiere, es werden die reißenden Tiere für die Menagerien,
es werde der Mann,
es werde das Weib...

Und dann gab er den beiden letzteren den Rat, Kinder zu machen, und er ermächtigte sie, über die Fische des Meeres zu herrschen, über die Vögel in der Luft, über die Tiere auf der Erde. Es genügte, daß er sprach: es werden die Sterne, es werden die Krokodile, es werden die Perlhühner, es werden die Klapperschlangen, es werde die Nonnenrobbe und es werde das Stachelschwein; und bei Nennung ihres Namens, siehe, da erhoben sich automatisch fix und fertig diese Tiere. Wenn es sich so verhält, war es keine große Mühe, die Welt zu  erschaffen. Und dennoch fühlte dieser Lazzarone am siebenten Tag das Bedürfnis zu ruhen.

Welch ein Farceur, dieser liebe Gott! Mag sein, daß er es gewesen ist, der die Gottesgaben schuf: das Wasser, um das Gras zu begießen, das Gras, um die Tiere zu sättigen, die Tiere, um den Menschen zu sättigen, die Frau, um sich vom Mann unterhalten zu lassen, die Schlange, um alle beide zu ärgern, die Trüffeln, um den Hummer damit zu garnieren, die Sonne, um die Wäsche zu trocknen, die Sterne, um die Dichter zu erleuchten, den Mond, um ihn mit neapolitanischen Liedern zu besingen. Aber seltsam dünkt es mich, daß die Dinge aus dem Nichts entstanden sein sollen, nur beim Hören ihres Namens. Ich glaube, daß der ewige Vater Spielereien liebte und daß er alles vorher ausgetüftelt hatte. Als guter Taschenspieler hatte er Schachteln mit doppeltem Boden und Gläser präpariert und in den sechs Tagen seiner Schöpfungstournee den echt amerikanischen Streich gespielt, das Ganze wie aus dem Nichts zu schaffen, um Eindruck auf die Bürger zu machen.

Aber es war noch ein Trick dabei.

Um dem Menschen das Leben zu geben, blies er ihm Lebensodem in die Nase.

Ich glaube nicht, daß er das tat, um ihm Leben einzuflößen, sondern um ihm einige künstlerisch assortierte Bazillentypen zu verabreichen. In der Tat lebte Adam nur 930 Jahre, während er viel länger hätte leben können.

Er hatte mit einer großartigen Geste begonnen, der liebe Gott. Die Sterne geschaffen aus dem unendlichen Raum, die Sonne aus dem ewigen Licht, zahllose Arten von Pflanzen und Tieren... Auf Kosten hatte er dabei nicht gesehen. Aber um das Weib zu erschaffen, beging er die Knauserei, dem Adam eine Rippe zu entziehen.

Was für ein Humorist, dieser ewige Vater!    - Pitigrilli, Kokain. Reinbek bei Hamburg 1988 (rororo 12225, zuerst 1922)

 

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