asche
Das Staunen beginnt erst nach der
Bootsfahrt auf einem spiegelglatten Fluß: hohe Gewölbe,
selbstverständlich, mit Stalaktiten und in jedem Augenblick phantastischen Felsformen,
deren Namen zu nennen der Fährmann sich nicht nehmen läßt, alles Bezeichnungen
von Wesen oder Dingen, an die sie gemahnen. Aber - und hier beginnt das Staunen
- sekundenlang spiegelt sich das Gewölbe im anscheinend vollkommen reglosen
Wasser derart makellos, daß man das Vorhandensein dieses Wassers vergißt und
schier glaubt, der Nachen bewege sich von selbst auf einer ganz ebenen Fläche
mit einem doppelten Gewölbe, und an vielen Stellen weiß man nicht, welches von
beiden schwindelerregender wirkt, das mit seinem Zenith, so hoch, daß weder
die Decke noch die Kuppel irgendeines menschlichen Bauwerks ihn scheinbar erreichen
können, oder das mit seinem Nadir, der das genaue Pendant des Zeniths ist und
zu dem dieselben, spiegelbildlich verkehrten Seitenwände führen. Ich glaube,
kein Schauspiel unter freiem Himmel könnte mich mehr beeindrucken als diese
unermeßliche Weite in einem Hohlraum, wo Himmel und
Erde geleugnet werden und der endlose Raum, von einer tiefen, riesengroßen Tasche
verschluckt, wie eine Füllung und nicht wie eine Umhüllung anmutet. - Michel Leiris, Die Spielregel 2. Krempel. München 1985 (zuerst
1955)
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