ag, schöner An einem Sonnabend wird ein Mann zum Tode verurteilt. Das Urteil soll am Vormittag eines der sieben folgenden Tage ausgeführt werden. „Aber", erklärt der Richter, „Sie werden nicht wissen, an welchem Tag, bis es Ihnen am Morgen des Tages gesagt wird. Die Hinrichtung wird unerwartet kommen." Etwas später erhält der Gefangene Besuch von seinem Verteidiger.

„Der Richter ist sehr ehrlich", strahlt der Rechtsanwalt, „er sagt immer die Wahrheit. Und das bedeutet für Sie nur Gutes. Wenn Sie am nächsten Sonnabend nicht hingerichtet worden sind, müssen Sie am Sonntag hingerichtet werden, dann käme die Hinrichtung aber nicht unerwartet. Aus dem Grund kann es nicht der Sonnabend sein. Wenn Sie am Freitag noch leben, muß die Hinrichtung am Sonnabend sein, weil Sie ja nicht am Sonntag sein kann. Aber das geht nicht, weil Sie die Hinrichtung dann ja wieder vorhersagen könnten. Sonnabend ist ausgeschlossen und alle anderen Tage ebenfalls, auch morgen. Und jetzt sind Sie sehr lebendig. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag."

Der Gefangene, in mathematischer Logik geschult, hielt die Überlegung seines Verteidigers für logisch einwandfrei und deshalb der Wirklichkeit entsprechend. Er verlebte in der Tat zwei schöne Tage. Aber am Mittwochmorgen kam ein Vollzugsbeamter und erklärte, dies sei der Morgen seines letzten Erdentages. Das war eine unerwartete schlechte Nachricht, die ihm den Tag verdarb. - (zeit)

Tag, schöner (2) Er saß am Flußufer auf einem flachen grauen Felsen; zurückgelehnt, den Mund leicht geöffnet, sah er mit geschlossenen Augen nach oben. Er bemerkte den Doktor erst, als Harris schon fast bei ihm war.

»Hallo«, sagte Harris leise.

Westerburg öffnete die Augen und sah zu Harris auf. Er lächelte und erhob sich langsam mit einer anmutig fließenden Bewegung, die für einen Mann seiner Körpergröße ziemlich überraschend war. »Hallo, Doktor. Was führt Sie hier raus?*

»Nichts. Ich dachte nur, ein bißchen Sonne könnte nicht schaden.«

»Sie können den Stein hier mit mir teilen.« Westerburg rückte beiseite, und Harris setzte sich vorsichtig, um mit, seiner Hose nicht an die scharfen Kanten des Felsen zu geraten, neben ihn. Er steckte sich eine Zigarette an und schaute schweigend hinunter aufs Wasser.

Neben ihm hatte Westerburg wieder seine eigentümliche Stellung eingenommen, zurückgelehnt, auf die Hände gestützt, die geschlossenen Augen nach oben gerichtet.

»Schöner Tag«, sagte der Doktor.

»Ja.«

»Kommen Sie jeden Tag hierher? Gefällt Ihnen wohl besser als drinnen.«

»Ich kann drinnen nicht sein«, sagte Westerburg.

»Nicht sein? Wie meinen Sie das: >nicht sein<?«

»Sie würden doch ohne Luft sterben, nicht wahr?« sagte der Corporal.

»Und Sie würden ohne Sonnenlicht sterben?«

Westerburg nickte.

»Corporal, darf ich Sie etwas fragen? Haben Sie vor, das für den Rest Ihres Lebens zu tun, draußen auf einem Stein in der Sonne sitzen? Und nichts weiter?«

Westerburg nickte.

»Was ist mit Ihrer Arbeit? Sie haben jahrelang die Schule besucht, um zur Patrouille zu kommen. Sie wollten nichts lieber als zur Patrouille. Sie haben eine ausgezeichnete Beurteilung erhalten und eine erstklassige Position. Was geht in Ihnen vor, daß Sie das alles aufgeben? Wissen Sie, es ist nicht leicht, da wieder reinzukomnien. Ist Ihnen das klar?«

»Das ist mir klar.«

»Und Sie wollen das wirklich alles aufgeben?«

»Ganz recht.«

Harris schwieg eine Weile. Schließlich drückte er seine Zigarette aus und blickte zu dem jungen Maiin. »Nun gut, Sie geben also Ihre Arbeit auf und sitzen in der Sonne. Und was dann? Irgend jemand muß an Ihrer Stelle die Arbeit tun. Richtig? Die Arbeit muß getan werden, Ihre Arbeit muß getan werden. Und wenn Sie sie nicht tun, muß das jemand anders machen.«

»Mag sein.«

»Westerburg, stellen Sie sich vor, jeder würde so denken wie Sie. Stellen Sie sich vor, alSc Menschen würden den ganzen Tag in der Sonne sitzen wollen. Was dann? Niemand würde die Schiffe kontrollieren, die aus dem Tiefraum kommen. Bakterien und toxische Kristalle würden in das System eindringen und Seuchen und Tod bringen. Hab ich recht?«

»Wenn alle so fühlten wie ich, würde keiner in den Tiefraum reisen.«

»Aber wir müssen. Wir müssen Handel treiben, wir müssen Mineralien, Lebensmittel, neue Pflanzen beschaffen.«

»Warum?«

»Um die Gesellschaft am Leben zu erhalten.«

»Warum?«

»Also —« Harris gestikulierte. »Menschen können nur in der Gesellschaft überleben.«
Westerburg sagte nichts dazu. Harris beobachtete ihn, aber der junge Mann antwortete nicht.

»Hab ich recht?« fragte Harris.

»Vielleicht. Es ist eine sonderbare Sache, Doktor. Wissen Sie, ich habe mich jahrelang abgemüht, um die Ausbildung durchzustehen. Ich mußte arbeiten und meinen Lebensunterhalt bcstreiten. Teller waschen, m Küchen arbeiten. Abends habe ich studiert, habe gebüffelt, mir den Kopf vollgestopft, habe immer weitergelernt. Und wissen Sie, was ich jetzt denke?«

»Was?«

»Ich wünschte, ich wäre schon früher eine Pflanze geworden.«  - Philip K. Dick, Pfeifer im Wald. In: P. K. D., Und jenseits - das Wobb. Zürich 1998

 

Tag

 

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