Tabula rasa  Die erst kürzlich von J. Vosseler beobachteten afrikanischen Anomma-Dorylinen gleichen den von Hetschako, W. Müller, Bates, Belt, Bar usw. erforschten Ecitinen oder Ecitons Hamatum. Es sind dies riesige, blinde, ausschließlich fleischfressende Ameisen, die keine andere Beschäftigung kennen als Morden und Plündern, die keine Städte gründen, sondern auf ihren Wegen Feldlager aufschlagen oder vielmehr biwakieren. Sie sind zum Nomadenleben gezwungen, da sie die Stellen, an denen sie verweilen, rasch und vollkommen verwüsten.

Militärisch und methodisch organisieren sie ihre Raubzüge. Kundschafter werden ausgeschickt, aber bald hält sie ihre Ungeduld nicht mehr, mordend und plündernd brechen sie in hellen Haufen aus allen Ritzen hervor und überfluten Ebene und Dschungel. In dichten Sturmreihen eilen sie vorwärts. Auf beiden Seiten sind sie von Offizieren mit großem Kopf und hakenförmigen Kiefern flankiert. Das ist ihr Schutz. Diese Offiziere lenken, überwachen sie und stürzen sich beim geringsten Alarm auf den Feind. Damit ihnen nichts entgeht, schicken sie einige Furagierabteilungen aus. Die Bewegung solcher Massen bedeutet für die Welt der Insekten die gleiche Katastrophe, wie wenn in die Herden wehrloser Säugetiere mehr als zwei Millionen Wölfe einhauten; denn zu dieser Zahl gelangen selbst die maßvollsten Schätzungen. Eine entsetzliche Panik verbreitet sich allenthalben. Häufig kündigen Vogelschwärme die Riesenameisenscharen an. Alles, was nicht flüchten kann, wird augenblicklich hingemordet. Ist eine Beute zu schwer, wird sie auf der Stelle zerlegt, und die Stücke werden zum allgemeinen Speicher gebracht. Geht der Zug über einen Hühnerhof oder begegnen ihm kleinere Säugetiere, so bleiben nur die Knochen übrig. In Tonga wurde ein Leopard im Käfig getötet und in einer Nacht bis auf das Skelett verzehrt. Früher warf man ihnen gefesselte Kriegsgefangene vor. Man glaubte zunächst nicht, daß sie angefallen würden, aber in wenigen Stunden machten die Ameisen aus ihnen ein unserer Museen würdiges osteologisches Präparat; sie sehen nichts und greifen den Menschen genau so an wie alles andere. Will man in seinem Hause bleiben, oder handelt es sich um einen nicht transportfähigen Kranken, so stellt man die Bettfüße in mit Essig gefüllte Gefäße und versichert sich, daß die Zimmerdecke heil ist, sonst fallen die Tiere von oben herab. Freilich räumt man ihnen fast immer den Platz, denn ihre Kiefer, selbst wenn sie vom Körper getrennt sind, lassen ihre Beute nicht los. Die Eingeborenen verwenden sie als Klammern bei Wunden, deren Ränder sie bis zur Heilung zusammenhalten.

Sind die Dorylinen oder ihre amerikanischen Schwestern, die Ecitinen, abgezogen, lebt nichts mehr. Nehmen sie ein Dorf im Sturm, verschlingen sie dort alles, was sich regt; dafür aber bleibt als gründliche sanitäre Verbesserung auch keine Spur von Ungeziefer übrig, und die Leute, die sich zunächst aus dem Staube gemacht hatten, erkennen schließlich, daß ihr Unglück einen nicht unbeträchtlichen Ausgleich gefunden hat. - (maet)

 

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