ystementspannung Aus den Hypothesen, in denen die zehn Milliarden Jahre der Existenz der Milchstraße rekonstruiert werden, geht - um es vorweg kurz und bündig zu sagen — hervor, daß der Mensch entstanden ist, weil der Kosmos ein Schauplatz von Katastrophen ist, und daß die Erde mitsamt dem Leben ihre Entstehung einer eigentümlichen Serie solcher Katastrophen verdankt; daß die Sonne ihre Planetenfamilie infolge gewaltiger Kataklysmen, die sich in der Nähe abspielten, gebar, daß das Sonnensystem dann aus dem Gebiet der katastrophalen Störungen herauskam; deshalb konnte das Leben entstehen und sich entwickeln, um schließlich die ganze Erde zu erobern. Während der folgenden Jahrmilliarde bestand im Grunde keine Chance für die Entstehung des Menschen, weil der Entwicklungsbaum der Arten nicht die Gelegenheit dazu bot, doch dann schuf eine weitere Katastrophe der Anthropogenese dadurch freie Bahn, daß sie Hunderte Millionen von irdischen Kreaturen umbrachte.
Den zentralen Platz in diesem neuen Weltbild nimmt
also eine Schöpfung ein, die auf der Zerstörung und
der sich daran anschließenden Systementspannung beruht. Noch knapper kann man
es auch so sagen: Die Erde ist entstanden, weil die Ursonne in einen Bereich
der Vernichtung geriet; das Leben ist entstanden, weil die Erde den Bereich
verließ; der Mensch ist entstanden, weil während der folgenden Jahrmilliarde
die Vernichtung erneut gegen die Erde wütete. -
Stanislaw Lem, Das Katastrophenprinzip. Aus Lems Bibliothek des 21. Jahrhunderts.
Frankfurt am Main 1983
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