umpfsystem Der
Sumpf ist ein System, das dazu bestimmt ist, Mühe zu
erzeugen, ohne eine Beziehung zu irgend etwas anderem als zu sich selbst; die
Gewässer prallen aufeinander, die Lagunen zerfressen die Lagunen, die Pfuhle
schrumpfen und verwandeln sich in Pfützen, die sich in Rinnsale zerreißen; der
Sumpf ist in einem unaufhörlichen Monolog von Wasser, Schlick, Schlamm und Morast
begriffen, einem Zwiegespräch zwischen Gestank und Fäulnis, in dem alles aufeinanderprallt,
sich ändert, sich verwandelt und trotzdem es selbst bleibt. Es ist möglich,
daß der Sumpf der geographische Abriß einer Form von Wahnsinn ist, aber auch,
daß dieser Wahnsinn nicht das Wesen des Sumpfs ist, sondern die vereinheitlichte
Form existierender Sprache, die das Höchste ihrer Rhetorik im Sumpf erreicht.
Der Sumpf ist Langsamkeit, Geduld, Wiederholung; wieviele Male hat sich in einer
Zone dieselbe Zeichnung gebildet, aber stets umgeben von verschiedenen Zeichnungen
in den anderen Zonen. Der Sumpf ist Schwere, Wallfahrt, Labyrinth, ist der falsche
Weg aber dennoch ein Weg, ist Aufbruch identisch mit der Ankunft, ist Vorbereitung,
Bereitschaft, und auch Greisengebrabbel, denn selbst wenn es unmöglich ist
zu sagen, daß der Sumpf alt ist, oder daß er ein bestimmtes Alter erreicht hat,
so muß man doch zugeben, daß er mit allen erdenklichen Altern beladen ist und
deshalb nicht umhin kann, mit seiner eigenen Greisenhaftigkeit verseucht zu
sein - einer reglosen Greisenhaftigkeit, die kein vorhergehendes Alter voraussetzt.
Und darum werden die winzigen Reptilien, die ihn durchlaufen, und die mir so
ähnlich sind in ihrer anonymen und ahnungslosen Hingabe an einen unverständlichen
Auftrag - darum werden sie die Pilger und letztlich der Sinn, das Lemma, die
Legende des Sumpfs sein; denn wenn wir Reptilien die Pilger sind, dann wird
niemand zu bestreiten wagen, daß der Sumpf das ist, was wir seit jeher wissen
oder vermuten: das heilige Land. - Giorgio Manganelli,
Der endgültige Sumpf. Berlin 1993 (zuerst 1991)
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