uchanzeige  »Der Entlaufene war Ihr Leibeigener?«

»Was für ein Leibeigener? Das wäre noch gar keine so große Gaunerei! Entlaufen ist mir ... die Nase ...«

»Hm! Ein merkwürdiger Name! Und hat Sie dieser Herr Nasow um eine so große Summe bestohlen?«

»Was heißt Nasow ... Sie verstehen mich nicht! Die Nase, meine eigene Nase ist spurlos verschwunden. Der Teufel wollte sich über mich lustig machen!«

»Aber auf welche Weise ist sie denn verschwunden? Ich kann Sie nicht ganz verstehen.«

»Aber ich kann ja selber nicht sagen, auf welche Weise; die Hauptsache dürfte nichtsdestoweniger darin bestehen, daß sie jetzt in der Stadt herumfährt und sich Staatsrat nennt. Und deshalb bitte ich Sie bekanntzugeben, daß man sie fängt und sie mir unverzüglich und auf dem kürzesten Weg wieder zustellt. Urteilen Sie doch selbst! Wie soll ich denn ohne diesen auffälligen Körperteil verbleiben? Das ist doch keine kleine Zehe, die ich in den Stiefel stecke - und kein Mensch sieht es, wenn sie fehlt. Ich pflege donnerstags bei der Frau Staatsrat Tschechtarewa zu sein; die Frau Stabsoffizier Pelageja Grigorjewna Podtotschina, die ein sehr hübsches Töchterlein hat, ist eine gute Bekannte, da werden Sie selber verstehen, wie mir jetzt ums Herz ist ... Ich kann mich jetzt nicht bei ihnen zeigen ...«

Der Beamte dachte nach, was man an seinen fest aufeinandergepreßten Lippen sehen konnte.

»Nein, eine solche Anzeige kann ich in der Zeitung nicht veröffentlichen«, sagte er schließlich nach langem Schweigen.

»Wie? Weshalb nicht?«

»So nicht. Die Zeitung könnte ihren guten Ruf verlieren. Wenn jeder zu schreiben anfängt, daß ihm seine Nase davongelaufen ist, dann ... Es heißt ohnedies schon, daß viele Ungereimtheiten und falsche Gerüchte gedruckt werden.«

»Weshalb soll das ungereimt sein? Da ist doch gar nichts Besonderes daran.«

»Das kommt nur Ihnen so vor. Aber erst vorige Woche hat sich folgender Fall ereignet. Kam da ein Beamter hereingestürzt, ganz wie Sie eben, brachte einen Zettel, der ihn auf zwei Rubel dreiundsiebzig Kopeken zu stehen kam, und die ganze Anzeige bestand darin, daß ihm ein schwarzer Pudel entlaufen sei. Eine ganz harmlose Sache, nicht wahr? Aber was herauskam, war ein Pasquill: der Pudel war der Kassierer, ich weiß nicht mehr welcher Behörde.«

»Aber ich will doch keine Anzeige über einen Pudel aufgeben, sondern über meine eigene Nase: das ist nahezu das gleiche wie über mich selber.«

»Nein, eine solche Anzeige kann ich nicht aufnehmen.«

»Aber wenn meine Nase tatsächlich verschwunden ist!«

»Wenn sie verschwunden ist, wenden Sie sich an einen Medikus. Man sagt, es soll Leute geben, die jede beliebige Nase ansetzen können. Im übrigen scheint mir, daß Sie ein Mensch mit heiterem Wesen sein müssen und in Gesellschaft gerne scherzen.«

»Ich schwöre es Ihnen, so wahr Gott heilig ist! Bitte sehr, wenn es schon so weit gekommen ist, werde ich es Ihnen zeigen.«

»Weshalb sich beunruhigen!« fuhr der Beamte fort und nahm eine Prise. »Übrigens, wenn es Sie nicht beunruhigt«, fügte er mit einer neugierigen Bewegung hinzu, »würde ich mir die Sache nicht ungern ansehen.«

Der Kollegienassessor nahm das Taschentuch vom Gesicht.

»Tatsächlich, höchst merkwürdig!« sagte der Beamte. »Die Stelle ist so glatt wie ein frischgebackener Pfannkuchen. Ja, geradezu unwahrscheinlich glatt!«

»Nun, werden Sie auch jetzt noch streiten? Sie sehen selbst, daß es unmöglich ist, meine Anzeige nicht zu drucken. Ich wäre Ihnen überaus dankbar; und ich freue mich sehr, daß mir dieser Zufall das Vergnügen verschafft hat, Ihre Bekanntschaft zu machen ...«

Wie aus diesen Worten zu ersehen ist, hatte sich der Major ausnahmsweise entschlossen, ein wenig zu schmeicheln.

»Die Anzeige zu drucken ist natürlich keine schwierige Sache«, sagte der Beamte, »nur sehe ich darin keinerlei Vorteile für Sie. Wenn Sie durchaus wollen, dann überlassen Sie es einer gewandten Feder, den Vorfall als seltene Naturerscheinung zu schildern und ihn als Artikel in der ,Biene des Nordens' zu veröffentlichen« - hier nahm er noch eine Prise - »zum Nutzen der Jugend oder« - hier wischte er sich die Nase - »zur allgemeinen Unterhaltung.«   - Nikolaj Gogol, Die Nase. In: N.G., Sämtliche Erzählungen. Stuttgart u. Hamburg 1961

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 - Ed Sanders, nach: Acid. Neue amerikanische Szene. Hg. Rolf Dieter Brinkmann, Ralf-Rainer Rygulla. Frankfurt am Main 1978 (zuerst 1969)

 

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