Stundenhotelgespräch   Der Greis mit dem großen Backenbart, dem ich geklingelt hatte, füllte die Gläser und begann uns langsam zu bedienen.

Die zusätzliche Verlegenheit, die seine Gegenwart und sein steifes Gehabe auslösten, hatte in diesem luxuriösen Stundenhotel etwas Komisches: wir fühlten uns verbunden, doch vor allem amüsiert durch ein stummes Einverständnis, das zwischen uns nicht bestand, das dieser Mann jedoch bei uns voraussetzen mußte; es war komisch, aber mehr noch süß zu denken, daß er es bei uns voraussetzte. Endlich ging der Mann hinaus.

- Ich glaube, sagte Hansi zu mir, wenn ich weinen könnte, wäre es weniger erstickend. Aber ich kann nicht, auch wenn es der Situation besser entsprechen würde.

- Möchten Sie nicht, fragte ich sie, daß wir nach draußen gehen? Wir könnten einen Spaziergang machen.

- Nein, sagte sie. Ich habe Sie nämlich im Verdacht, daß Sie trotz allem genau wie ich, dieses Unbehagen köstlich finden. Was ich akzeptierte, indem ich hier eintrat, akzeptiert jede Frau bei ihrer Hochzeit. Darf ich Ihnen sagen, was mich bewogen hat, den Vorschlag Ihrer Mutter anzunehmen ? Ihre Mutter wird Ihnen erzählt haben, daß ich keine Abenteurerin bin - oder jedenfalls, daß ich nicht so abgehärtet wie eine Abenteurerin bin: meine Erfahrung ist der Situation nicht gewachsen, in die ich mich ohne Furcht begeben habe. Als ich begriff, daß Sie auch nicht weniger verlegen sein würden als ich, fühlte ich mich im voraus derart verführt, daß ich am liebsten einen Freudensprung gemacht hätte. Aber glauben Sie darum nicht, daß ich tatsächlich das bin, was man ein ehrbares Mädchen nennt. Ich wäre kaum so geschminkt und parfümiert, wie ich es bin. Wenn Sie wollen, kann ich das, was wir hier erleben, in die schockierendsten Worte fassen. Ich sage Ihnen das offen, weil ich sehr wohl weiß, daß Sie es nicht von mir verlangen werden und daß Sie sich mir gegenüber rücksichtsvoll benehmen werden, als wäre ich das törichtste junge Ding. Aber . . .

- Aber? Sprechen Sie ...

- Unter einer Bedingung . . . daß Sie ebenso verwirrt sind und daß Sie mich ebenso verwirrt wissen, als wäre die Lust für mich eine Gewohn-heitssache. Ich sehe Ihnen in die Augen, doch wenn ich mich getraute, würde ich die Augen senken. Ich errötete (doch mein Lachen widersprach dieser Schamröte).

- Ich bin hingerissen, aber ich bin glücklich, daß Sie mich dennoch dazu gebracht haben, die Augen niederzuschlagen.

Ich sah sie an, doch wenn ich errötet war und ihr gegenüber das Entzücken empfand, das sie mir so lange zu schenken vermochte, so konnte ich doch in mir die herausfordernde Regung nicht unterdrücken, die mich vor ihr aufrichtete.

Ein verliebter Mann, der erkennt, daß das Mädchen ihm nachgeben wird, gleicht der Wirtschafterin, die das Kaninchen, das sie töten wird, wie einen Schatz betrachtet.  - (bat)

 

Stundenhotel Gespräch

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme