tudium
Er gieng hin, fieng ein wenig an studieren: unnd nam die Paternoster
für sich: welche förmlicher zu expedieren, und darauß zukommen, saß er auff
ein alten abgeribenen Maulesel, welcher neun Königen gedienet hat, plapperet
mit den lefftzen nach dem Paternosterlichen Kerbholtz, lottelt und hinckt mit
dem Kopff, runtzelt die Stirn, blintzelt mit den äugen, nottelt mit der hand,
gauckelt mit den fingern, glunckert mit den Füssen, blotzet mit dem Gesäß, unnd
zog also allgemach damit hinauß Königlin mit stricken unnd Netzen zufangen,
oder seinen Hund Bombo abzurichten, zu holen, den Hut abzunemmen, das Paternoster
nachzutragen, gansatum zustreiffen, die Enten zustieben, unnd sonst Wild inn
Schleiern auffzutreiben. Auch sonsten spiel die inns Feld gehörten zuüben:
Nestel auß dem Kreiß, Kloßstechen, Schleiffen,
schleimen, Kitschen, Roß machen, Habergeiß ziehen, Zull wann ichs triff, hotten
räumen, umbspännlin, Pfenning vom blöchlein werffen, Nuß auß dem Ring dopffwerffen,
den Stecken auß dem Leimen stechen, Hirt setz Geyß auff, Hurrnauß, Häubleins,
Stecken steckens, den Zweck holen, zum ziel schocken, der weissen Tauben, der
breiten unnd halben Kugel, der faulen Brücken, zehen paß fünff Sprung auff eim
Fuß, etc. Wann er dann heim kam, fügt er sich flugs inn die Kuchen, zusehen
was am Spiß steck: Da fraß er auff mein treu wol zu Nacht Etwann besser als
der Groß Keyser Karles, welcher wann er lustig war, ein gantzen Pfauen, oder
Hammen, oder Schafsballen gebraten ringlich kont auff reiben: das macht die
Übung deß Jagens: wie auch Xenophon sein Cyro sein essen mit solchem
Mörrettich ver-senffet: was auch der Jagteuffel darvon schreibe: Sehe er zu,
daß er nicht verjagt werde. Auch weil der Mensch ist ein Animal
sociale, lud er gemeinlich gern zu ihm etlich wolbesoffene Schlucker seiner
Nachbauren: mit denen nam ers an inn allen Pässen unnd Süffen wie mans ihm bracht,
sagten vom alten biß zum neuen: allzeit einen dran, daß man den Pilatum mit
dem Keyser schreck. Fürnemlich aber unter anderen waren seine geheime Freund
unnd Hofbesucher die Herren von Stockenvol, von Studenful, von Gurgviler, von
Nagalt, von Neumagen, und von Schnabelrausch: unnd innsonderheit ein Chrisamentloser
guter Magenpflästerer Jungherr Goschenberger von Waffeleck.Nach dem Nachtessen kamen auff den Plan, die schöne Evangeli von Holtz, das
ist, Vollauff Prettspiel, oder das schön Flüssen, Eß, dauß, troi. Oder, die
erzehlung abzukürtzen, giengen sie herumbgassatum, Hipenspilatum, Mummatum, dummatum,
fenstratum, Raupenjagatum, unnd sonst zu den heimlichen Klostercolätzlin, Jungfraubancketlin,
zum Liecht unnd zun Schlafftrüncken. Ja giengen herumb zu gast fressen, wie
der Hirt im Dorff. Darnach schlaffeten sie unabgezäumt, biß zu Morgen umb acht
Uhren. - (
fisch
)
Studium (2) Sie beschlossen, sich ernsthaft
ans Studium der Werke von Jean-Jacques Rousseau
zu machen, über die sie ihre Doktorarbeiten zu schreiben hatten. Sie machten
sich Notizen, legten Karteien zu den häufig wiederkehrenden Themen und
Motiven an. Sie blieben den ganzen Tag auf ihrem Zimmer und studierten,
bei Sonnenuntergang gingen sie weg und schlenderten hinunter über den Boulevard
der Philosophen, gelangten in das gewohnte Café und hatten einander nichts
zu sagen. Sie tranken viel Wein und kamen ziemlich
betrunken in ihre Pension zurück, dann schliefen sie fest und tief bis
zum Mittag des nächsten Tags. Oder sie standen früh auf, studierten den
ganzen Tag auf ihrem Zimmer, wobei sie mit Begeisterung die fixen Ideen
des armen Jean-Jacques entdeckten, aber abends gingen sie wieder ins gewohnte
Café, betranken sich mit Wein und sagten dann zueinander: »Wir haben so
viel gelesen, wir haben müde Augen, wir möchten nicht mehr intelligent
sein, wir wollen Freunde haben!« -
Gianni Celati, Die Novelle von den zwei Studenten. In: G. C., Cinema naturale. Berlin 2001