trolch   So korrekt ich auch angezogen war, mit meinem Prangerkragen, den blanken Latschen - meine Mutter fand bei näherer Überlegung, es sei noch immer nicht das Ideal... Trotz meiner Uhr und meiner dunklen Kette machte ich keinen seriösen Eindruck... Bei allen Ermahnungen sah ich noch immer wie ein Strolch aus ... Man erkannte es an der Art, wie ich das Geld einfach so aus der bloßen Tasche zog!... Das machte einen verlotterten, apachenhaften Eindruck! Furchtbar!

Sie fand einen Ausweg... Sie schickte Hortense auf den Vivienne-Markt... Um mir unter den Gelegenheitskäufen eine Geldbörse auszusuchen ... Eine feste handgenähte, mit vielen Abteilungen, eine unverwüstliche ... Dazu schenkte sie mir vier Münzen zu fünfzig Centimes ... Aber ich sollte sie nicht ausgeben!... Nie!... Es war ein Sparpfennig ... Der mir Lust zum Sparen machen sollte!... Sie schrieb auch meine Adresse hinein, für den Fall, daß mir auf der Straße ein Unglück zustoßen sollte... Das gefiel ihr so. Ich habe keine Einwendungen gemacht.

Ich vertrank die paar Kröten rasch in Gläsern zu zwei Sous... Der Sommer 1910 war niederträchtig heiß.  - (tod)

Strolch  ⁽²⁾  Sein Mund wurde schlaff und hemmungslos, sein Gesicht war das eines Menschen, der alles erfahren hatte. Sie konnte Pierre dann bei einer seiner Huren sehen, als einen Menschen, der sich Armut, Schmutz und Verfall als einzige Kulisse für bestimmte Handlungen ausgesucht hatte. Dann kam der Strolch, der voyou zum Vorschein, der verkommene Mensch, der fähig war, drei Tage und drei Nächte lang durchzusaufen, und der sich jedem Erlebnis überließ, als wäre es sein letztes, der all sein Verlangen irgendeinem Monstrum von Frau schenkte, der sie begehrte, weil sie ungewaschen war, weil so viele Männer sie besessen hatten, weil ihre Sprache die Sprache der Gosse war. Es war die Sucht nach Selbsterniedrigung, nach dem Letzten, nach dem Jargon der Straße, den Frauen der Straße, der Gefahr. So hatte man ihn während einer Opiumrazzia festgenommen und ihn als Zuhälter verhaftet.  - Anais Nïn, Das Delta der Venus. München Zürich 1981