trömung
Als
ich aufstand, um zu gehen, fühlte ich einen Erdstoß. Der Boden unter meinen
Füßen zitterte, ich verlor das Gleichgewicht. Ich fiel nach hinten und blieb
auf dem Rücken liegen, während die Erde bebte. Ich versuchte, mich an einem
Felsen oder einer Pflanze zu halten, aber etwas unter mir rutschte.
Ich sprang auf, stand einen Augenblick und fiel wieder hin. Der Boden, auf dem
ich saß, bewegte sich, glitt wie ein Floß in das Wasser.
Ich blieb reglos, überwältigt von Schrecken, der, wie alles andere auch, einzigartig,
ununterbrochen um vollkommen war.
Ich bewegte mich auf einem Stück Boden, das wie ein Baumstamm aus Erde aussah, durch das Wasser des schwarzen Sees. Ich hatte das Gefühl, von der Strömung in südlicher Richtung getragen zt werden. Ich konnte sehen, wie sich das Wasser um mich bewegte und strudelte. Es fühlte sich kalt und merkwürdig schwer an. Ich glaubte, es lebte.
Es gab keine erkennbaren Ufer oder Landzeichen, und ich kann mich nicht an
die Gedanken oder Gefühle auf dieser merkwürdigen Reise erinnern. Stunden des
Umhertreibens schienen vergangen, als mein Floß eine Drehung im rechten Winkel
nach links, nach Osten machte. Eine kurze Strecke glitt es weiter auf dem Wasser,
bis es unerwartet auf etwas stieß. Die Wucht warf mich nach vorn. Ich schloß
die Augen und spürte einen stechenden Schmerz, als meine Knie und meine ausgestreckten
Arme den Boden trafen. Nach einem Augenblick sah ich auf. Ich lag auf dem Sand.
Es war, als hätte sich mein steinerner Stamm mit dem Land vereint. Ich setzte
mich auf und drehte mich um. Das Wasser wich zurück. Es bewegte sich rückwärts
wie eine sich zurückziehende Welle, bis es verschwand.
-
Carlos Castaneda, Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens. Frankfurt
am Main 1980
Strömung (2)
Strömung (3) Ich vernahm ein lautes
und stetig wachsendes Tönen, ähnlich dem Urgebrüll einer Riesenherde von Büffeln
auf einer amerikanischen Prärie; und im nämlichen Augenblick gewahrte ich, wie
unter uns das, was die Seeleute das <Schlagen> des Ozeans nennen, sich
rasend rasch in eine Strömung wandelte, die ostwärts verlief. Und da ich noch
schaute, nahm diese Strömung eine reißende Geschwindigkeit an. Jeder Augenblick
vermehrte ihre Eile - ihr ungestümes Stürmen. Innerhalb von fünf Minuten war
die ganze See bis hin nach Yurrgh zu un-bezwinglicher Wildheit aufgepeitscht;
doch zwischen Moskoe und der Küste hatte der Aufruhr seine wüsteste Gewalt.
Hier barst das ungeheuere, in tausend widerstreitenden Stromrinnen zernarbte
und verschrammte Bett der Wasser ganz plötzlich in wahnsinnigen Wirbeln auseinander
- auf brodelten die Massen, kochten, zischten - kreiselten in zahllosen, gigantischen
Strudeln - und alles wirbelte und stürzte ostwärts hin mit einer Schnelligkeit,
die man bei Wasser sonst noch nirgends trifft, es sei denn bei jähen, steilen
Fällen. Ein paar Minuten später, und eine neuerliche radikale Verwandlung kam
über die Szene. Die allgemeine Oberfläche glättete sich
etwas, und einer nach dem andern schwanden die Strudel,
indessen ungeheure Schaumstreifen sichtbar wurden, wo
vorher gar kein Gischt zu sehen war. Diese Streifen breiteten
sich schließlich auf riesige Entfernung aus, vereinigten sich, nahmen die Kreiselbewegung
der abgeflachten Strudel in sich auf und schienen den Keim eines neuen, weit
mächtigeren Wirbels zu bilden. Plötzlich - ganz plötzlich - nahm dieser in einem
Kreise von mehr als einer Meile Durchmesser bestimmtes und entschiednes Dasein
an. Den Grenzrand des Strudels bildete ein breiter Gürtel von schimmernd stäubendem
Wasserschaum; doch kein Teilchen davon schlüpfte in das Maul des fürchterlichen
Trichters, dessen Inneres, so weit das Auge zu dringen vermochte, eine glatte,
glänzende, pechschwarze Wand von Wasser war, gegen den Horizont in einem Winkel
von wohl fünf u ndvi erzig Graden geneigt: sie wirbelte schwindelerregend
herum und hinum in schwankend-schwenkender Bewegung und stieß zu den Winden
empor einen schauerlichen Stimmlaut, halb Schrei, halb ein röhrendes Brüllen,
wie es nicht einmal der mächtige Niagara-Katarakt je in seiner Agonie
zum Himmel schickt. - E. A. Poe, Ein Sturz in den Malstrom, nach (
poe
)
Strömung (4)
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