treitsucht    Lamb  flog in den Hafen hinaus und setzte auf einer Welle auf.

Bevor er sich's versah, gesellte sich eine ehrwürdig aussehende Möwe zu ihm, die, ohne jede Form der Begrüßung, neben ihm aufs Wasser plumpste. Da sie wesentlich älter war als er, blickte Lamb sie respektvoll an.

»Wie geht es Ihnen?« begann Lamb die Unterhaltung.

»Was?« meinte die andere Möwe und knurrte fast.

»Was?« wiederholte Lamb mit ausdrucksloser Stimme.

 »Ja«, schalt die andere.

 »Wie geht was?«

»Och, nichts!« entgegnete Lamb. »Ich habe nur ›hallo‹ gesagt.« »Sie haben nicht ›hallo‹ gesagt«, sagte die alte Möwe kurz angebunden. »Hätten Sie ›hallo‹ gesagt, so hätte ich ›hallo‹ gehört. Sie fragten mich, wie's mir ging. Denken Sie bloß nicht, ich wäre taub.«

 »Geht«, berichtigte Mr. Lamb.

»Sehen Sie!« kreischte die Möwe. »Sie sind schon wieder im Unrecht. Ich sage immer ›ging‹.«

»Dann sagen Sie es jedesmal falsch«, sagte Lamb vom Zorn übermannt. »Sie sind ein unausstehlicher alter Narr, und Sie haben nicht die geringste Ahnung, daß Sie überhaupt am Leben sind.«

 »Da haben wir's wieder«, erwiderte der andere. »Sie sind ständig im Unrecht. Wäre ich nicht am Leben, wäre ich nicht hier.«

»Und Sie würden mir nicht mal fehlen«, antwortete Lamb.

»Das Meer ist groß«, schlug die alte Möwe vor. »Warum verschwinden Sie nicht?«

 »Ich war zuerst hier«, sagte Lamb.

»Ich bin immer zuerst da, wo immer ich auch bin«, verkündete sein übellauniger Kumpan. »Und davon mal abgesehen, seit Sie auf dem Wasser niedergegangen sind, sind Sie eine halbe Meile weitergetrieben. Also sind Sie nicht der erste, weil Sie da gar nicht mehr sind, und ich...«

»Mein Gott!« unterbrach Lamb, »Sie haben gewonnen. Betrachten Sie's doch, wie Sie wollen.«

»Natürlich habe ich gewonnen«, sagte die Möwe selbstgefällig. »Ich gewinne immer. Ich kann Sie bei jedem Thema mit Argumenten fertigmachen. Sagen Sie was, und ich wette, Sie sind im Unrecht.«

 Mr. Lamb erwiderte nichts und ließ die hoffnungslose Unterhaltung sein. Außerdem mochte er die krächzende Stimme des Alten nicht. Die See war an dieser Stelle ziemlich rauh, und Lamb spürte, wie ihm übel wurde. Die stoßweise Bewegung der Wellen war ernstlich dabei, die Heringe in seinem Magen zu stören. Er blickte hinüber, um zu sehen, wie sein Gefährte das aushielt. Der alte Vogel saß teilnahmslos da, fuhr auf den Wellen auf und ab und hing offensichtlich einem verdrußbringenden Gedanken nach.

 »Werden Sie eigentlich jemals seekrank?« machte Mr. Lamb einen neuen Vorstoß.

Gereizt blickte die Möwe auf.

»Drücken Sie sich klar aus«, krächzte der Vogel. »Wenn Sie meinen, macht die See mich krank, oder werde ich wegen ihr krank, lautet meine Antwort nein, gewiß nicht. Wenn Sie andererseits versuchen zu fragen, hängt mir die See zum Halse raus, dann ist das etwas ganz anderes.«

Er schwieg und blickte gedankenverloren zum Himmel hinauf. »Ich hab die See satt«, fuhr er fort. »Ich würde mich gern zur Ruhe setzen und irgendwo niederlassen. Irgendwo ein kleines Nest bauen - nichts Großes, verstehen Sie - und unbekümmert leben. Ich habe die See so lange begleitet, mein ganzes Leben lang, und jetzt, jetzt hab ich genug. Die paar Jahre, die ich noch vor mir habe, würde ich am liebsten an Land verbringen. Das Möwenleben ist ein Hundeleben

»Warum setzen Sie sich nicht zur Ruhe?« fragte Mr. Lamb. Der alte Vogel tat ihm fast leid.

»Muß mich doch ernähren, meinten Sie nicht?« gab der andere kurz angebunden zurück.

»Meinen Sie nicht«, schlug Mr. Lamb ruhig vor. Die alte Möwe machte ein unangenehm sarkastisches Geräusch. »Sie fangen schon wieder an, wie ich höre«, bemerkte er mit leicht drohender Stimme. »Ich sagte ›meinten Sie nicht‹ und ich meine ›meinten‹. Es hat keinen Zweck, mich aufs Glatteis führen zu wollen, ich weiß, ich weiß.«

Mr. Lamb verfiel erneut in Schweigen. Mit diesem dickköpfigen alten Langweiler zu debattieren, brachte nichts ein. Zeit verging, und die Sonne fing an, die Hügel von Jersey schon etwas matt in Augenschein zu nehmen. Ein langer Tag lag hinter ihr, an dem sie die Stadt hatte schwitzen lassen. Jetzt war's an der Zeit, den Laden dichtzumachen. Der alte Möwerich rührte sich und sah Mr. Lamb an.

»Kommen Sie mit an Land, Kunstdünger fressen?« fragte er. Mr. Lamb schüttelte es, und er gab sich alle Mühe, daß der Hering bei ihm blieb.

»Nein, danke«, erwiderte er, als er seine Übelkeit ein wenig überwunden hatte. »Ich habe bereits gespeist.«

 »Ein toller Fraß«, sagte der alte Vogel, »aber, wie Sie wollen. Mehr Kunstdünger für mich. Ich liebe das.«

Er klappte in abstoßender Erwartung den Schnabel zusammen. - (lam)

Streitsucht (2)  Er versetzte der Schildkröte einen  bösartigen Stoß. »Beeil dich«, knurrte er. »Schalt den vierten Gang ein, du alte Schute. Zeig uns mal, wie du drinnen aussiehst. Raus mit dem Kopf.«

Nach vielen lästigen Schubsern streckte die alte Schildkröte ihren Hals heraus, blickte Mr. Lamb voller Verachtung an und äußerte soviel wie:

»Was, zum Teufel, wenn ich fragen darf, versuchen Sie eigentlich zu bezwecken? Dies ist ein privates Zuhause. Verplätschern Sie sich.«

»Ich werde mich nicht verplätschern«, erwiderte Lamb. »Auch werde ich Sie nach Herzenslust weiter schubsen. Sind Sie so verdammt dickschalig, daß Sie nicht mal merken, wenn Sie geschubst werden?«

»Ich weiß ganz genau, wenn ich geschubst werde«, erwiderte die Schildkröte in scharfem Ton, »und ich weiß, wenn ich nicht geschubst werde. Was ich aber nicht weiß, ist, welchem Zweck diese fortwährende Schubserei dienen soll. Mit Goldfischen habe ich nie etwas zu tun. Wir befinden uns nicht auf derselben Stufe.« »Nein«, entgegnete Lamb, »Sie befinden sich auf der niedrigeren Stufe.«

»Nicht niedrig genug für Sie«, sagte die Schildkröte. »Sie sollten entzückt sein, daß ich Sie überhaupt schubse«, antwortete Mr. Lamb.

»Ich bin nicht entzückt«, sagte die Schildkröte. »Und ich verabscheue Protzerei.«

»Ich bin nur vorübergehend Goldfisch«, äußerte Mr. Lamb. »Morgen schon könnte ich ein Zebra sein.«

 »So was wie Zebras gibt es nicht«, erwiderte die Schildkröte. »Das alles ist eine Lüge - die ganze unerquickliche Geschichte.« Diese fruchtlose Diskussion trug nicht dazu bei, Mr. Lambs gute Laune wiederherzustellen. Die Schildkröte, beschloß er, war ebenso dickköpfig und unwissend wie der Möwerich, der ihn auf so abstoßende Weise eingeladen hatte, Kunstdünger zu fressen.

 »Stellen Sie Ihre umfassende Unwissenheit mal nicht so zur Schau«, sagte Mr. Lamb. »Ich selbst habe jede Menge Zebras gesehen.«

»Zeigen Sie mir nur ein einziges«, verlangte die Schildkröte. »Hier gibt es keine Zebras«, entgegnete Mr. Lamb. »Das ist der Beweis«, sagte die Schildkröte und lachte häßlich auf. »Das stempelt Sie zum Lügner. Als nächstes werden Sie mir noch weismachen wollen, daß es so was wie Löwen gibt.«

»Reingefallen!« triumphierte Lamb. »Wenn es keine Löwen gibt, woher wußten Sie dann seinen Namen?« »Ich habe nicht behauptet, daß ich's wüßte«, erwiderte die Schildkröte. »Gute Nacht. Ich verabscheue Lügner.«

Damit zog das Tier nicht nur seinen Kopf ein, sondern auch seine vier Füße. »Schubsen Sie und fahren Sie zur Hölle«, kam es durch den Schlitz in seinem Panzer. »Ich werde jetzt schlafen.«

»Sie sind ja niemals wach gewesen«, konterte Mr. Lamb und flippte mit eiligem Flossenschlag an die Wasseroberfläche. »Alle Goldfische sind lebende Lügen«, schrie die Schildkröte hinter ihm her, indem sie den Kopf aus ihrem Panzer schnellen ließ. »Es gibt nicht ein einziges Gramm Gold in dem ganzen albernen Dasein, das sie führen. Versuchen Sie nur mal, einen auszugeben, und sehen Sie, was Sie an Wechselgeld kriegen... nicht mal 'ne mickrige Sardine.«

Lamb tauchte blitzschnell zurück und schnappte tückisch nach ihrem Kopf, den die Schildkröte gerade noch einziehen konnte. »Ich hoffe. Ihr Magen dreht sich um, bevor der Tag anbricht«, kam es von Blasen begleitet aus ihrem Panzer.

»Ich wünschte, ich würde Ihnen das nächste Mal auf einem Teller Suppe begegnen«, war das Beste, was Mr. Lamb, einer spontanen Eingebung folgend, zu bieten hatte.  - (lam)

Streitsucht (3)  Das Volk ist dermaßen streitsüchtig, daß Gespräche verboten werden mußten. Sie brachten zu viele Schläge und tödliche Verletzungen mit sich. Das Land wäre in kurzer Zeit gänzlich entvölkert gewesen. Und das Problem der Ehe?. . . Kurze Annäherungen, so kurz wie möglich.

Mann und Frau zusammenleben zu lassen konnte nie in Frage kommen. Das wäre eine echte Provokation, die nur mit einem prompten Hinscheiden enden könnte. Tatsächlich sind nur noch ein paar Kalakjesen übrig.   - (mich2)

 

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