treitlust Die Cabaliste oder Streitlust, und die Composite oder Übereinstimmungslust stehen in absolutem Gegensatz zueinander: die erste ist ein berechnender und überlegter Trieb, die zweite ein blinder Trieb, ein Zustand der Trunkenheit, des Hingerissenseins, der aus der Vereinigung mehrerer gleichzeitig genossener Freuden der Sinne und der Seele entsteht.
Streitlust oder Parteiengeist ist jene Sucht nach heftiger Intrige bei den Ehrgeizigen, den Höflingen, den organisierten Vereinen, den Kaufleuten, der galanten Welt.
Der kabalistische Geist zeichnet sich dadurch aus, daß er der Leidenschaft stets Berechnungen beimengt: beim Intriganten ist alles Berechnung, sei es eine Geste oder ein Augenzwinkern; alles betreibt er mit Überlegung, aber dennoch sehr flink. Das Fieber dieser zehnten Leidenschaft, der Streitlust, ist also eine reflektierte Begeisterung; sie steht im Gegensatz zur blinden Begeisterung der zwölften Leidenschaft, der Übereinstimmungslust. Beide stimulieren die Gruppen einer arbeitenden Serie durch zwei entgegengesetzte Triebe.
Der menschliche Geist bedarf der Streitlust so sehr, daß er dort, wo es ihm
an wirklichen Intrigen fehlt, sich im Spiel, im Theater, im Roman nach künstlichen
umsieht. Wer eine Gesellschaft einlädt, muß ihr künstliche Intrigen bieten,
indem er den Anwesenden zum Beispiel Karten Jn die Hand drückt oder eine Wahlkomödie
inszeniert. Es gibt nicht Bedauernswerteres als einen Höfling, der in die Provinz
verbannt wird und in einem kleinbürgerlichen Städtchen ohne Intrigen leben muß.
Ein Kaufmann, der sich von seinen Geschäften zurückgezogen hat und plötzlich
von den zahlreichen und lebhaften kaufmännischen Kabalen abgeschnitten ist,
wird sich ungeachtet seines Reichtums für den unglücklichsten Menschen der Welt
halten. - Charles Fourier, Aus der neuen Liebeswelt. Berlin
1977 (zuerst 1808 ff.)
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