traßenverkauf   Ein gut, ich würde sogar sagen: sehr gut gekleideter Typ  trat auf, in weißem Anzug, blaßblauem Hemd und nagelneuen Sportschuhen. Auf dem Kofferraum seines Autos breitete er ein weiches Tuch aus. Darauf lagen einige Spritzen. Die Visitors näherten sich und drängten einander gegenseitig weg wie bei einer dieser seit Jahren immer gleichen, stets sich wiederholenden Szenen, wenn das Fernsehen zeigt, wie in Afrika von einem Lastwagen aus Mehlsäcke verteilt werden. Einer der Visitors allerdings fing an zu schreien: »Nein, ich nehme das Zeug nicht, wenn ihr es verschenkt, nehme ich es nicht... Ihr wollt uns umbringen ...«

Auf den bloßen Verdacht dieses einen hin zogen sich die anderen sofort zurück. Der Typ schien keine Lust zu haben, irgend jemanden zu überzeugen, und blieb stehen. Ab und zu spuckte er den Staub aus, den die Visitors beim Weggehen aufgewirbelt hatten und der sich ihm auf die Zähne gelegt hatte. Einer traute sich trotzdem vor, oder genauer ein Pärchen. Sie zitterten und waren wirklich am Ende. Auf Turkey, wie man sagt. Die Venen in der Armbeuge des jungen Mannes waren nicht mehr zu verwenden, deshalb zog er sich die Schuhe aus, aber auch die Fußsohlen waren schon ruiniert. Das Mädchen nahm die Spritze von dem Tuch und klemmte sie sich zwischen die Lippen, während sie dem Jungen langsam, als hätte es hundert Knöpfe, das Hemd öffnete und dann die Spritze in den Hals stach. In der Spritze war Kokain. In die Blutbahnen gespritzt, läßt sich in kürzester Zeit erkennen, ob der Verschnitt funktioniert oder nicht, ob zu viel oder zu wenig gestreckt ist. Nach kurzer Zeit begann der Junge zu schwanken, Schaum bildete sich in den Mundwinkeln, und er fiel hin. Auf dem Boden bewegte er sich ruckartig, dann blieb er ausgestreckt auf dem Rücken liegen und schloß die Augen, erstarrt. Der Weißgekleidete begann mit seinem Handy zu telefonieren: »Ich glaube, er ist tot..., ja, ist gut, na, dann massiere ich ihn ...«

Mit der Stiefelette begann er den Brustkorb des jungen Mannes zu traktieren. Dabei hob er das Knie, stieß das Bein dann nach unten und führte die Herzmassage mit Fußtritten aus. Das Mädchen an seiner Seite begann zu plärren, die Worte schienen ihr an den Lippen kleben zu bleiben: »Du machst es falsch, du tust ihm weh ...«   - Roberto Saviano, Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra. München 2006

 

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